Re: Aktuelles von der Hunsrückbahn
von Horst Heinrich » Mo 3. Jul 2023, 20:17
Hallo Dirk,
zunächst zur Hunsrückbahn.
Der Hunsrücker fährt Auto. In jedem Haushalt stehen mindestens zwei, man braucht es hier sowieso, denn außer in Ortschaften um 3000 Einwohner gibt es keine Infrastruktur des täglichen Bedarfs. Bäcker, Metzger, Einzelhändler, Arzt, Zahnarzt, Apotheke etc. sind nur mit dem Auto in einem vertretbaren Aufwand zu erreichen. Wer dieses Auto besitzt, nutzt es in der Regel auch zum Pendeln zur Arbeit.
Davor und danach werden meist noch andere Verrichtungen eingebunden, Kinder zum Treffen mit Gleichaltrigen oder zum Sport fahren (in den Dörfern gibt es auch keine Vereine mehr), einkaufen, Gräber gießen, Oma zum Arzt, die verfetteten Kinder zum Physiotherapeuten bringen etc, das kann weder ein Bahn-, noch ein Bus-Stundentakt leisten.
Die Streckenführung der Hunsrückquerbahn ist den Bedürfnissen des späten 19.Jahrhunderts angepaßt. Damals ist man für die zwei Bahnfahrten je Jahr ( mehr konnte man sich auch gar nicht leisten) auch mal 5 km zum Bahnhof gelaufen, heute undenkbar.
Jeder, der sich mit dem Klima der letzten 2000 Jahre beschäftigt -und das tun wir "Waldmenschen" als Jäger ja immer- wird feststellen, dass es die jetzt so plakativ beklagten Klimaerscheinungen schon immer gab. Sie werden nur jetzt so dramatisiert, weil man mit ihnen politisch und wirtschaftlich Kapital schlagen kann. Der Mensch ist nur nicht willens, sich anzupassen. Man möchte die Erderwärmung gerne per Gesetz beschränken. Die Erderwärmung greift sich an den Kopf und lacht sich darüber kaputt, daß der Mensch schon wieder versucht, Gott zu spielen. Derweil erwärmt sich die Erde wie sie will. Oder sie denkt sich auch wieder mal Kälteperioden aus. Damit müssen wir leben.
Als ich 1967 das erste mal bei meinem Cousin in Remscheid zu Besuch war, habe ich die Hand kaum vor Augen gesehen. Alles hat gehustet, alles grau in grau. Hätte ich mich damals auf die Straße geklebt, um für meine Zukunft zu demonstrieren, man hätte mich kurzerhand totgeschlagen und mir vorher klipp und klar gesagt: Erst muß unsere Gegenwart eine Zukunft haben, dann können wir mal über die Zukunft der Zukunft nachdenken, denn wir brauchen in DIESEM Winter einen warmen Arsch, nicht im Jahre 2250.
Meine Konsequenz -danach hattest Du ja gefragt- lautet daher: Ich lebe so bescheiden, wie in den letzten 60 Jahren und versuche, der Erde nicht mehr wegzunehmen, als nötig. Ich habe noch nie in einem Flugzeug gesessen, um mich etwa später auf einer Mittelmeerinsel zu besaufen oder armen Menschen in armen Ländern in die Zelte zu glotzen, ich bin nie weiter gereist als in die unmittelbar
angrenzenden Nachbarländer, meist mit der Bahn, besitze weder Spülmaschine noch Wäschetrockner noch ein Smartphone, das jeden Tag aufgeladen werden muß, weil ich in sinnlosen Gruppen sinnlose Bilder und Nachrichten einstellen muß, mein Stromverbrauch ist seit 16 Jahren annähernd konstant, ich verheize ca 12 Raummeter Holz und 600 Liter Heizöl jährlich, auch diese Werte sind seit 16 Jahren konstant und meine Lebensmittel kaufe ich überwiegend bei Selbsterzeugern hier im Umfeld. Tägliche oder wöchentliche Pilgerfahrten zu den Heiligen Aldi, Lidl, Netto etc. wären für mich der Horror.
Gerade habe ich festgestellt, daß ich noch nie Litschies, Passionsfrüchte oder argentinisches Rindfleisch gegessen habe, was mit Flugzeugen rund um die Uhr eingeflogen wird.
Obst und Gemüse esse ich, wenn es hier wächst, ist es alle, warte ich bis zur nächsten Saison, wie schon früher die Oma, die übrigens in 89 Lebensjahren nie eine Banane gegessen hat.
Mein Jeep Grand Cherokee ist 12 Jahre alt und verbraucht 11 Liter Diesel. Ich werde einen Teufel tun, ihn jetzt abzuschaffen, um mir ein E-Auto zu holen, das mit belgischem und französischem Atomstrom aufgeladen wird. Und ich fahre sogar manchmal nur zum Spaß herum, etwa um in einer gemütlichen Straußwirtschaft einzukehren. Wenn ich schon nicht auf der Aida tonnenweise Schweröl verpulvere oder über schweizer Kunstschneepisten den sportiven Alten Mime. Dann wenigstens mal einen Feierabendschoppen mit Vesperplatte an der Mosel.
Aber zurück zur Bahn.
Die Hunsrückquerbahn hat in der jetzigen Streckenführung westlich Simmern, na sagen wir westlich Kirchberg keine Chance. Ich kann weder eine 200-Millionen-Investition hierfür befürworten noch die Menschen zum Bahnfahren zwingen. Das ist etwa zwischen Kirchheimbolanden und Mainz oder im Zellertal etwas anders. Hier bersteht Nachfrage. Im Hunsrück leider nicht.
Auch die Aartalbahn beispielsweise müßte schon längst reaktiviert sein. Eine Schande, was hier seit 40 Jahren passiert.
Nur für den Hunsrück ist der vierspurige Ausbau der B 50 zwischen A 61 und Büchenbeuren ein größerer Segen als eine Hunsrückbahn, die für 70 km aufgrund der topographischen Gegenbenheiten 130 Minuten braucht und nicht genutzt wird. Auf der von Dir erwähnten Hunsrückhöhenstraße sind allein zwischen Morbach und Büchenbeuren seit ich hier wohne 17 Menschen u.a. wegen des fehlenden Ausbaus gestorben, vier davon habe ich persönlich gekannt.
Das ganze ist auch eine Frage der Konditionierung. Die Hunsrückquerbahn ist jetzt im 47. bzw 39. Jahr im Personenverkehr stillgelegt. Kaum einer mehr kann sich an sie erinnern und wenn, dann ist die Erinnerung noch mit negativen Erlebnissen wie veralteten Fahrzeugen, nicht funktionierenden Heizungen, schlechtem mürrischem Service, vollkommen absurden Fahrplänen oder verpaßten Anschlüssen getrübt.
Um hier wieder etwas gut zu machen, müßte man sich sehr sehr viel einfallen lassen.
Dazu ist die Bahn heutiger Prägung schon gar nicht mehr in der Lage, wenn man für sechs P&R-Plätze 10 Jahre und für einen neuen Haltepunkt 20 Jahre Planungszeit braucht oder Stellwerke und Züge wegen Personalmangel regelmäßig ausfallen.
Die Berufseisenbahner der Jahrgänge 1900 bis 1965 hätten das vielleicht noch hinbekommen. Die heutigen Witzfiguren in Markus Lanz-Anzügen schaffen es ja gerade noch, sich nicht auf die Schuhe zu pinkeln.
Die Gesellschaft im 21.Jahrhundert: Bei vielen nichts anderes als das Fortleben des prähistorischen Menschen unter der dünnen Schale der Zivilisation.