Bericht in der Rhein-Zeitung heute:
Güterzüge sollen ab Dezember im Hunsrück rollen:
Schienenverkehr zwischen Langenlonsheim und Morbach wird konkret
Nachdem es (mal wieder) für einen längeren Zeitraum ruhig war um die Reaktivierung der
Hunsrückquerbahn zwischen Langenlonsheim und Morbach, kommt Bewegung in die Diskussion. Aber anders als erwartet.
Thomas Torkler 06.07.2020
Es geht nämlich nicht um Personenverkehr auf der Strecke, für deren Reaktivierung das
Planfeststellungsverfahren seit sechs Jahren läuft. Die Schweizer WRS Widmer Rail Service AG will ab
Dezember Güterzüge über den Hunsrück schicken. Das Unternehmen hat eine Niederlassung in
Karlsruhe, beschäftigt rund 100 Angestellte und befördert insgesamt rund 1500 Güterzüge zwischen
der Schweiz und Deutschland sowie noch einmal rund 600 Züge in den beiden Ländern selbst.
In einem Schreiben an den Landesbetrieb Mobilität (LBM), das der RHZ vorliegt, informiert die WRS
das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, namentlich die Staatssekretäre
Daniela Schmitt und Andy Becht, sowie die Landtagsabgeordnete Jutta Blatzheim-Roegler (Grüne), die
Landräte Gregor Eibes (Bernkastel-Wittlich) und Günther Schartz (Trier-Saarburg), Kirchbergs VGBürgermeister Harald Rosenbaum und Felix Jakob von der IG Nationalparkbahn über ihr Vorhaben.
Demnach will die WRS Schienengüterverkehr zwischen Langenlonsheim und Büchenbeu-ren sowie
weiter nach Morbach und Hermeskeil betreiben.
Ziel sei, dass dafür der Streckenabschnitt zwischen Langenlonsheim und Büchenbeuren genutzt
werden soll, für den man im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens bereits mehrere Einwendungen
beim Eisenbahnbundesamt in Saarbrücken gemacht habe. Den weiterführenden Abschnitt zwischen
Büchenbeuren und Morbach/Hermeskeil will man von der DB Netz AG pachten. Weiter heißt es in dem
Schreiben, dass das Unternehmen bereits mit potenziellen Frachtkunden Gespräche geführt habe und
zuversichtlich sei, ab Dezember 2020 Güterzüge über die Strecke rollen zu lassen. Mit der IG
Nationalparkbahn, die seit fünf Jahren an einem Pachtvertrag mit der DB Netz AG für den Abschnitt
Hinzerath-Morbach-Thalfang arbeitet, habe man vereinbart, dass die WRS sich um den gesamten
Streckenabschnitt bemühen werde und man sich gegenseitig ergänzen wolle.
Drei Zugpaare täglich geplant
Das Unternehmen hat bei der DB Netz AG Trassen angemeldet. Angedacht sind jeweils drei Zugpaare,
die von Montag bis Freitag verkehren sollen. Interessanterweise findet sich darunter auch eine
Verbindung zwischen Simmern und Mailand-Smistamento, einem großen Bahndrehkreuz der
norditalienischen Metropole. Die anderen Züge verkehren zwischen Morbach und Mannheim sowie
zwischen Bingen und Simmern, alle jeweils hin und zurück.
Vertreter der WRS AG haben sich in Simmern mit Stadtbürgermeister Andreas Nikolay und den beiden
Bürgermeistern der Verbandsgemeinden Simmern-Rheinböllen, Michael Boos, und Kirchberg, Harald
Rosenbaum, getroffen. Alle drei Bürgermeister teilten auf Anfrage unserer Zeitung mit, dass sie bei
dem Treffen den Eindruck gewonnen hätten, dass das Ansinnen der WRS Widmer Rail AG sehr ernst
zu nehmen sei.
Alexander Neubauer, Niederlassungsleiter der WRS Deutschland GmbH in Karlsruhe, hat auf Anfrage
unserer Zeitung signalisiert, dass aus seiner Sicht die Strecke betriebsbereit durch die DB Netz AG sei
und aktiv. „Somit können wir hier sofort fahren.“ Den ambitionierten Zeitplan, bereits im Dezember
Güterverkehr auf der Strecke anzubieten, hält Neubauer für umsetzbar. Die DB Netz AG habe eine
Betriebspflicht: „Sie müssen jetzt schauen, was sie damit machen“, sagt Neubauer.
Hürden sieht er „maximal bei der Weiterführung ab Büchenbeuren und den Gleisanlagen in Ellern und
Simmern“. Letztere seien aber noch in Klärung und könnten den Start verzögern. Ellern habe einen
Gleisanschluss an einer Ladestraße, die entsprechend auch im Planfeststellungsantrag für
Güterverkehr eingeplant sei, erläutert Neubauer. Der Bahnhof in Ellern böte sich ebenso für das
Verladen von Holz an, wie vor allem auch die Station Zolleiche zwischen Hochscheid und Hinzerath,
wo derzeit riesige Holzlagerstapel lagern. Die Fahrtgeschwindigkeit spiele keine Rolle, sagte
Neubauer.
Dass aber die Züge bei unbeschrankten Bahnübergängen pfeifen müssen, räumt Neubauer ein.
Teilweise würden die nach seiner Auskunft 100 bis 400 Meter langen Güterzüge unmittelbar an
Wohnbebauung entlang rollen. Beispiele dafür gibt es nahezu in allen Ortschaften entlang der Strecke.
Es sollen ausschließlich moderne Waggons mit „leisen“ Bremsanlagen zum Einsatz kommen. „Altes
Material ist nicht mehr zugelassen, das ist für uns maßgeblich“, sagt Neubauer. Sobald die DB Netz
signalisiere, dass die Strecke aus ihrer Sicht befahrbar sei, will WRS loslegen. Personal werde bereits
geschult, sagt Neubauer. Er möchte dazu beitragen, dass die viel geäußerte Absicht, mehr
Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlegen, umgesetzt wird. „Es rollen ja immer mehr
Lkw über den Hunsrück, und jetzt ist sogar bei Argenthal noch eine teure neue Rastanlage im Bau. Die
Leute müssen anfangen, neu zu denken“, fordert Neubauer.
In diese Richtung „neu“ denkt auch Simmerns Stadtbürgermeister. Andreas Nikolay und verweist auf
die bisherigen Bemühungen der Reaktivierung der Bahnstrecke, die im Koalitionsvertrag
festgeschrieben sei. Dafür hat sich Nikolay in der Vergangenheit häufig klar ausgesprochen. Zahlreiche
kommunale Entscheidungsträger haben sich allerdings wegen ihrer Meinung nach mangelnder
Wirtschaftlichkeit gegen eine Wiederaufnahme eines Zugverkehrs durch den Hunsrück
ausgesprochen. Zuletzt hatte die CDU in der Region und im Land wiederholt die Landesregierung
aufgefordert, endlich eine Entscheidung zu treffen, egal ob für oder gegen eine Reaktivierung. Die
Hängepartie mit dem seit sechs Jahren dauernden Planfeststellungsverfahren wurde von der Union
scharf kritisiert.
Diese Kritik seiner Partei greift auch Nikolay auf: „Wir haben leise Personenzüge gefordert, die
niemanden belästigt hätten. Nichts ist passiert! Die Strecke wurde weder stillgelegt noch reaktiviert. Es
gab keine Klarheit! Jetzt sollen Güterzüge kommen. Während der Planungen hieß es immer, dass es
nur leisen Personenverkehr geben soll. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wie angesichts der
Klimasituation und der vollkommenen Überlastung unseres Straßennetzes die Landesregierung die
zeitgemäße Reaktivierung der Hunsrückbahn nicht vorangetrieben hat. Nun muss das Land handeln:
Lärmschutz an der Strecke, sichere Bahnübergänge und endlich ein Konzept für die Zukunft. Aber bitte
für Menschen, nicht nur für Waren.
Harald Rosenbaum sagte auf Anfrage unserer Zeitung, dass er das Konzept der WRS AG „schon sehr
beeindruckend“ findet. Er sei nicht gegen die Güterverkehre, aber wenn sie stattfinden sollten, dann
müsse die Strecke so ertüchtigt werden, dass nicht an jedem Bahnübergang Gefahr drohe und die
Züge ständig Signal geben müssten. Der Güterverkehr auf der Strecke sei im
Planfeststellungsverfahren zur Reaktivierung bislang allenfalls ein Aspekt „unter ferner liefen“, wie
Rosenbaum es ausdrückte. Wenn die Deutsche Bahn das Ansinnen der WRS Widmer AG ablehne,
würde die DB schadenersatzpflichtig, denn es handele sich bei der Hunsrückquerbahn um eine
bestehende Strecke, die nicht stillgelegt ist.
Wie zu hören ist, beabsichtigt das Schweizer Bahnunternehmen, in erster Linie Holz über die Strecke
zu transportieren, aber auch Kerosin. Alexander Neubauer, antwortet auf die Nachfrage unserer
Zeitung, was befördert werden soll: „Verschiedene Güter, die benötigt werden können. Holz gehört
dazu, ebenso Zusatzmaterialien für die Holzverarbeitung. Mit dem Flughafen Hahn haben wir Kontakt
aufgenommen und stehen in Gesprächen.“ Laut Auskunft von Andreas Nikolay habe WRS ihm
berichtet, dass man die komplette Kerosinlieferung für den Flughafen Zürich abwickele.
„Die Schweizer wollen auch an der Strecke investieren“, sagt Nikolay. Es sei angedacht, auf dem
Gelände des ehemaligen Lokschuppens in Simmern eine Halle für die Wartung des rollenden Materials
entstehen zu lassen. Das Simmerner Bahngelände hätten die WRS-Vertreter bei ihrem Besuch in
Simmern bereits in Augenschein genommen, berichtet Nikolay.
Bracht fragt die Landesregierung
Die Landesregierung hält sich bislang in der Angelegenheit bedeckt. Der Rheinböllener Abgeordnete
Hans-Josef Bracht (CDU) hat das Schreiben der WRS an den LBM zum Anlass genommen, eine
kleine Anfrage an die Landesregierung zu stellen. Er will wissen, wie die Landesregierung das
Ansinnen der WRS hinsichtlich Ernsthaftigkeit, Realisierungschancen und Realisierungsmöglichkeiten,
auch in Bezug auf den aktuellen Bauzustand der Strecke bewertet. Bracht fragt, welche
Baumaßnahmen an der Strecke notwendig würden, welche Kosten entstünden und wer diese
übernehmen würde.
Wie die Pläne der WRS mit dem laufenden Planfeststellungsverfahren und mit den Zielen der IG
Nationalparkbahn in Einklang zu bringen seien, fragt der Abgeordnete ebenso. Er möchte außerdem
erfahren, wie die Sicherheit der Bürger angesichts der zahlreichen Bahnübergänge gewährleistet werden kann.
Auch die Lärmbelastung für an der Strecke lebende Menschen thematisiert Bracht, der abschließend
fragt: „Welche Auswirkungen hätte eine zeitnahe Reaktivierung der Hunsrückquerbahn für
Güterverkehr auf die Chance der von der Landesregierung nun bereits seit 20 Jahren in Planung
befindlichen und bisher nicht realisierten Reaktivierung der Bahnstrecke für den Personenverkehr?“