Heiner Neumann hat geschrieben:Wozu Grammatik und Rechtschreibung, wenn man im Computer ein entsprechendes Programm hat. Solange dieses keine Fehler anzeigt, kann es nicht verkehrt sein. Dazu kommt natürlich noch die neue deutsche "Rechtschreibung".
Gruß
Heiner
Ja, deutsches Sprache, schwere Sprache - für immer mehr Inländer sogar.
Dabei ist Sprache ja auch und gerade Kultur.
Allein "Machsdu Bier klar und Wodka, alder" nimmt sich neben "Ich hätte gerne einen Kestener Weißburgunder trocken" sehr bescheiden aus, fast schon proletenhaft, wobei manche Proleten wirklich in Haft sitzen.
Es muß ja schon ein sprachlicher Unterschied sein, ob ein Kater bei einem im Hause lebt, man einen Kater in Katar hat (etwa nach einer Party am Szenestrand) oder einen Katarrh.
Schon Heinz Maegerlein, das wird ihm zugeschrieben, wußte zu unterscheiden, ob "sie an den Hängen standen und Pisten" oder "an den Hängen standen und pißten".
Die deutsche Sprache ist -zum Glück- etwas für "geborene" Insider und Gebildete, schon unser früherer Engischlehrer, ein stolzer Walise, empörte sich etwa, daß es beispielsweise beim bestimmten Artikel keine bestimmte Regel gibt. Von wegen weiblich-männlich-sächlich! Die Schule - der Hund - das Jungtier neben 'die Friteuse' - 'der Frauenhaarschnitt' - 'das Pony'.
Verwirrend auch der schizofrene Schikoree neben der Frage, ob mit Spagetti der Spaghetti gemeint ist oder der italienische Mitbürger.
Aus dem Schuldienst kann ich berichten, daß die sprachliche Dekadenz im Kinderwagen beginnt.
Wenn der Zweijährige noch fragmentarisch aneinanderreiht "Mami Eis Schoko" sollte man der 14-jährigen die Frage "Darf ich Döner?" nicht durchgehen lassen, hier sollte man, bevor man unkritisch das Portemonnaie öffnet, auf ein Verb oder Hilfsverb bestehen, sonst haben wir es als Lehrer schwer, angemessen auf die Frage "Darf ich Toilette?" zu reagieren. ("Ja, saubermachen, gerne...").
Apropos Lehrer, ich habe ja bekanntermaßen neben VWL und Geschichte Deutsch unterrichtet.
Was ich hier in den letzten 10 Jahren erlebt habe, von der Sexta bis zur Oberprima, würde Bücher füllen. Gut, ich bin klassisch-gymnasial gebildet, Englisch-Latein-Griechisch, die historischen Klassenbezeichnungen kann man nicht mehr erwarten, zumal man, wenn man in der 5 etwas über "Sex"ta redet, man Ärger mit der Mißbrauchsbeauftragten der Schule bekommt, erst recht, wenn man ein Mann ist.
Überhaupt bekommt man nur Ärger, bestenfalls erntet man Unverständnis, wenn man in der Schule, selbst im Gymnasium, etwas über klassische Bildung verliert. Hart Erarbeiten, vertiefen, eigene Transferleistungen als Schüler herstellen, sind verpönt. Der Unterricht ist heute ein soziales Happening mit Showeinlage via Power Point, Pauer sucht Point neben Bauer sucht Frau.
Unterricht als Unterhaltungsformat. Da könnte man alle 15 Minuten auch Werbung senden, zugleich Gelegenheit, Toilette zu dürfen (vielleicht sogar ohne zu müssen): "Die bequemen Schulmöbel wurden gesponsert von Edeka", "In Physik gibt es immer was zu tun mit Hornbach", "Viel Spaß in Chemie mit Aral - alles super!" und für den Bio-Unterricht: "Aufklärung mit Bauknecht - Bauknecht weiß, was Frauen wünschen".
Nicht gut weg kommen die Französisch-Lehrer: "Französisch, kein Problem, nur mit der Sprache tu ich mir schwer." Wer sich von Reli abgemeldet hat, bereut das spätestens, wenn für den Ethikunterricht ein klassischer Philosoph eingesprungen ist, denn es ist um einiges leichter, sich in der Klassenarbeit über die Schöpfung Gottes mittles einer Sonnenblume inspirieren zu lassen, als auf die Frage "Hegel: 'Das endliche, verständige Moment: Der Verstand setzt etwas als seiend' - nehmen Sie hierzu umfassend Stellung."
Ja unsere Bildung. Vor nicht allzu langer Zeit war Deutschland die Bildungsnation Nummer eins. Die ganze Welt kam zu uns um zu studieren, jetzt um zu kassieren. Auch in Sachen Bildung rennen alsbald die Chinesen an uns vorbei. Sie saugen deutsche Bildung auf wie ein Schwamm.
In der 9., die ich in Idar-Oberstein unterrichtete, saß ein gewitztes Kerlchen, der Vater war Geschäftsführer eines chinesischen Edelsteinimporteurs. Er hatte in den Ferien "Tristan und Isolde" gesehen - in der Oper. Die deutschen Schüler waren in den Ferien nicht mal bei Opa.
Die Gesellschaft im 21.Jahrhundert: Bei vielen nichts anderes als das Fortleben des prähistorischen Menschen unter der dünnen Schale der Zivilisation.