Gruß an die Bahnlärmparanoiker - Der Posten 18




Alles, was sich so in jüngster Vergangenheit ereignet hat oder sich ereignen wird

Gruß an die Bahnlärmparanoiker - Der Posten 18

Beitragvon Horst Heinrich » Mi 18. Nov 2020, 18:24

Der Posten 18 an der linken Rheinstrecke liegt zwischen Gau-Algesheim und Bingen-Gaulsheim. Bis in die 1960er Jahre war hier ein handbedienter BÜ, das Postengebäude wurde bewohnt von Bahnwärter Kring, mit zwei der sieben Kinder war ich befreundet und so hielt ich mich unzählige Male in Wohn- und Diensträumen auf, durfte auch oft die Schranke bedienen, wenn Feldbesitzer passieren wollten.

Es gab kein elektrisches Licht!

Damals wurden die fruchtbaren Obstfelder von vielen Haupt- und Nebenerwerbsbauern bewirtschaftet, sie querten den Übergang zu Fuß, mit Fahrrad oder Handwagen, Moped, Traktor, Kleinwagen, Auto und Pferdefuhrwerk.

Auf der Bahnstrecke sah man unglaublich viele Traktionsvarianten, Dampf-, Diesel-, E-Loks, Triebwagen aller Art, jede Art von Personen- und Güterzug, Bahndienstfahrzeuge, der Streckengeher war unterwegs, die Unterhaltungstrupps von Bm, Nm, Sm, Stm machten Station.
Einmal im Jahr kam ein Beamter der Hbm vorbei, vorwiegend um den Zustand der Gebäude zu inspizieren und um Instandsetzungen zu initiieren.
Die Zugfolge lag tagsüber durchschnittlich bei etwa einem Zug je 5 Minuten, in Spitzenzeiten war sie dichter, abend etwas dünner, aber nachts rollte es wieder, vorwiegend überregionaler Güterverkehr.

Später kaufte ausgerechnet ein pensionierter Lokführer das Ensemble, die Familie ist heute noch hier ansässig. Sie können wohl vom Bahnlärm nicht genug kriegen.

Da wir hier noch ein paar Grundstücke besitzen, sie sind heute meist zu Biotopen geworden, weil kaum noch jemand Erwerbsobstbau betreibt, fahre ich ab und an hierher, so auch heute.
Ich nahm mir mal eine Stunde, von 13 bis 14 Uhr Zeit, stellte mich an die Strecke und machte mal Pause mit dem "Meenzer Frühstück" (Weck, Worscht und diesmal ohne Wein).

In 60 Minuten gab es fünf vollkommen unspektakuläre Zugbewegungen, ein ICE, ein IC, zwei RE bzw. RB und ein Güterzug, der mit einem sehr wirkungsvollen Flüsterfahrwerk daherkam:
Hätte es nicht die Vibrationen in den Schienen gegeben, man hätte kaum gehört, daß sich ein Zug nähert.

Zum Abschluß meines Tages stieg Zorn in mir hoch:
An diese bekackten Wichtigtuer von den Bahnlärminitiativen: Haltet einfach euer dummes Mau..., ihr habt von Bahn, Bahnlärm und von wirklichem Lärm etc. keine, aber auch gar keine Ahnung.

Ein Güterzug in einer Stunde

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Ein IC aus Mainz

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Ein ICE aus Bingen
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Das immer noch bewohnte Postengebäude aus den 1860er Jahren
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Die senkrecht eingegrabenen Schienen am Wegesrand stammen von der Verbindungskurve Bk Wasserwerk - Ockenheim, die 1934 gebaut und 1966 stillgelegt wurde. Sie sollen verhindern, daß Wegebenutzer der Strecke zu nahe kommen.
Die Gesellschaft im 21.Jahrhundert: Bei vielen nichts anderes als das Fortleben des prähistorischen Menschen unter der dünnen Schale der Zivilisation.
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Re: Gruß an die Bahnlärmparanoiker - Der Posten 18

Beitragvon Rolf » Mi 18. Nov 2020, 21:06

Schöner Bericht, vielen Dank. Mein Vater war "Bahnhofsvorsteher in Weeze" und ich erinnere mich, dass ich auf Posten 96 auch gelegentlich die Schranken herunter kurbeln durfte. Damals fuhren auf der damaligen Kursbuchstrecke 470 auch noch alle möglichen Züge, darunter D-Züge bis Amsterdam, und nach Klagenfurt in die andere Richtung. Und Güterverkehr, Dampfloks, und und und. Das war spannend! Heute nur noch Triebwagen und in Kleve ist Schluss...
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Re: Gruß an die Bahnlärmparanoiker - Der Posten 18

Beitragvon Dieselpower » Mi 18. Nov 2020, 23:02

Schranken kurbeln durfte ich auch mal als Kind....und sogar eine Zugmeldung machen, am Bahnhof Porz-Königsforst, mitten im gleichnamigen Wald, der sich unmittelbar an die östlichen Kölner Stadtteile anschmiegt.

Das "Waldhaus" lud Wanderer ein, zum Kaffee oder sonstwie Rast zu machen, ein Weg des Eifelvereins führte über die stählerne Fußgängerbrücke, die für uns "Pänz" jahrelang - bis zu ihrem Abbruch - als Logenplatz über der Strecke Köln - Gummersbach, ein paar Weichen samt Ladestraße und Gleisanschluß des Imprägnierwerks Scholl, sechs Hauptsignale, zwei Unterstände und sogar eine Uhr, deren vom Zweck befreiter Betonsockel noch jahrelang erzählte "Hier gabs mal mehr!", rundeten das Bild vom Bahnhöfchen, das mehr dem Ausflugsverkehr und Kreuzungen diente, als allem anderen - Verkehrshalt gab es an A (Werktags außer Samstag) auch nur zweistündlich.
Leider wurde der Bahnhof samt Brücke (Der Wanderweg führt nun illegal übers Gleis) Ende der 80er stillgelegt und zurückgebaut, probehalber wollte man bei Bedarf Wochenends am einzigen noch verbliebenen Bahnsteig halten, was sich bei der inzwischen mit 100 statt wie bisher 70 km/h durchbretternden Citybahn mit der schweren 218 als schwierig erwies, so daß diese Idee schnell fallengelassen wurde, eine Awanst blieb immerhin übrig. Dem verwaisten Stellwerk stattete ich noch einmal in den 90ern einen traurigen Besuch ab, ein alter Abfahrtsplan aus besseren Zeiten und ein paar Fragmente aus dem vandalisierten Dienstraum konnte ich retten. MoraC erledigte dann den Rest. Ein paar versuchsweise Bedienungen durch die HGK verliefen nicht erfolgreich genug, nach Umbau des Bf Porz-Heumar mit ver-EStw-ung verschwand auch der Rest, dem Stellwerk machte der Bagger den Garaus. Einzig das Waldhaus überlebte als argentinisches Restaurant,
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