Hallo zusammen,
als kleine Zugabe habe ich noch ein Bild gefunden, das die zuvor abgebildete Straßenbahn bei der Überquerung der Strecke Sprendlingen-Fürfeld auf freier Strecke zeigt.
Die Strecke Sprendlingen-Fürfeld wurde von der SEG (Süddeutschen Eisenbahngesellschaft) betrieben, die aus dem "Eisenbahnconsortium Hermann Bachstein" hervorgegangen war.
https://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%BCdd ... sellschaftDiese privaten Bahninitiativen erhielten von der großherzoglich-hessischen Monarchenfamilie größtmögliche Förderung bei der Erschließung des rheinhessischen Raumes, das Herrscherhaus war -was die Eisenbahn betrifft- sehr aufgeschlossen und großzügig.
1953 ging die Strecke an das Land Rheinland-Pfalz über, das nichts Besseres zu tun hatte, als sie noch im selben Jahr im Personenverkehr stillzulegen.
Das rheinland-pfälzische Verkehrsministerium unterstand damals Ministerpräsident Peter Altmeier, einem bekennenden Autofan.
Straßenbahn, aber auch die Strecke Sprendlingen-Fürfeld hatten eigentlich eine gute Auslastung und die Strecke war beliebt, allerdings hatte die DB, der für die Strecke Sprendlingen-Fürfeld die Betriebsführung übertragen wurde, kein Interesse an der Weiterführung.
Die hier eingesetzten Loks der BR 74 und 55 waren in die Jahre gekommen, der gelaschte Oberbau von 1880 hätte grundlegend erneuert werden müssen, langsam nahmen die Pkw Einzug in die rheinhessischen Familien.
Wie heute auch springt die Politik gerne auf den Mainstream des Augenblicks, Nachhaltigkeit ist und bleibt ein Privileg von Forstleuten.
In dem Augenblick, da ich das schreibe, geht mir durch den Kopf, wie ich 1953, etwa als junger Kerl von 20 gedacht hätte.
Natürlich hätte ich auf einen Ford 12M geschielt, auf eine Horex, einen Lloyd 400 oder ein Goggomobil.
Die Politiker hatten -mehr als heute- das Ohr am Volk und reagierten auf diese Begehrlichkeiten.
Die Streckenführungen waren teils konträr zu den Verkehrsströmen, das eingesetzte Material veraltet, nach sechs Jahren Krieg bestand hoher Investitionsbedarf bei noch nicht wieder angelaufenen Steuereinnahmen (die kamen erst ab Mitte der 1950er Jahre durch das sogenannte "Wirtschaftswunder"), die motorisierte Individualität hatte -vielleicht auch psychologisch verständlich nach den Jahren der Abhängigkeit von den verkehrlichen "Gnadenmitteln" des Staates- höchste Priorität.
Man wollte Unabhängigkeit auch von einem teils arroganten Beamtenapparat an den Schaltern und Bahnsteigsperren (vgl. Tucholsky: "Das deutsche Ideal, hinter einem Schalter zu sitzen, das deutsche Schicksal, vor einem Schalter zu stehen.").
Die zaghaften Versuche einer Effektivierung der Nebenbahn über Neuschöpfungen wie die VT's oder die Vereinfachung der Betriebsverfahren haben nicht mehr gegriffen. In Rheinhessen war die Entstehung der Eisenbahnlandschaft in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts eindeutig auf die Bedürfnisse der Wirtschaft zugeschnitten.
Der Personenverkehr war allenfalls ein Nebenprodukt.
Kein Wunder: Die Arbeitsplätze lagen vor Ort, die wenige Freizeit wurde gleichfalls vor Ort verbracht, weiter als 20km reiste man nur, wenn es unumgänglich war.
Diese, auf den Güterverkehr zugeschnittene Linienführung rächte sich 100 Jahre später, als sich der Einzelne als Individuum mit Selbstverwirklichungsanspruch definierte und sich nicht mehr als Abhängiger von den Lenkungen eines Obrigkeitsapparates, der den Gegebenheiten machtlos folgen muß, sah.
Das sollte man bei aller Bahnaffinität immer bedenken.
Die Gesellschaft im 21.Jahrhundert: Bei vielen nichts anderes als das Fortleben des prähistorischen Menschen unter der dünnen Schale der Zivilisation.