Der Binger Hafen um 1910




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Der Binger Hafen um 1910

Beitragvon Horst Heinrich » Do 20. Jul 2023, 12:47

Zu Beginn des 20.Jahrhunderts erweiterte die Stadt Bingen ihre Hafenanlagen durch eine große Uferaufschüttung. An dieser Stelle auch hochwassertechnisch kein Problem, denn hier ist der Rhein fast einen Kilometer breit. Natürlich stattete man diese neuen Rheinanlagen auch mit einem passablen Schienennetz aus, das direkt an die linke Rheinstrecke angeschlossen war. Noch bis in die 1980er Jahre gab es hier Schienengüterverkehr. Man konnte Massengüter per Frachtschiff an den Binger Hafen bringen und dann per Bahn weiter Richtung Rheinhessen, Hunsrück und Nahetal verteilen. Für Empfänger bzw. Versender ohne Bahnanschluß stand die bahnamtliche Spedition Wendel mit Lkw bereit. Eine perfekte Logistik, die heute seinesgleichen sucht.

Wenn etwa 1980 ein Güterwagen um 15.30 Uhr aus dem Hunsrück hier in Bingen ankam, wurden die Wagen noch auf die abfahrenden Güterzüge verteilt und nicht selten war das Frachtgut bereits in der selben Nacht noch 500km weiter verfügbar. Umgekehrt war ein Frachtschiff mit Düngemitteln, am Vortag im Binger Hafen angekommen, am nächsten Tag auf Güterwagen umgeladen und dann bereits zügig auf dem Weg zum Raiffeisen-Bahnanschluß in den Raum Simmern. Heute, wie gesagt, nicht mehr in dieser Geschwindigkeit und Nachhaltigkeit denkbar.

Ein Bild aus der Sammlung Miles Anglo, Bingen, zeigt die neuen Rheinanlagen um 1910

Bild

Sehr interessant auch dieses Foto von 1915 aus der Sammlung von Alfred Berg, Bingen.

Es zeigt sehr viele schöne Details der damaligen Binger Bahnwelt (evtl müßt ihr das Bild vergrößern). So etwa das mitten in den Gleisen gelegene Befehlsstellwerk, das später durch das Reiterstellwerk ersetzt wurde. Im Vordergrund links eingereiht in einen dreiteiligen Güterzug ein Kesselwagen. Ich vermute, es handelt sich um eine Lieferung Wein für eine der Binger Weinbrennereien Racke, Schneider-Texier oder Scharlachberg, die jeweils Bahnanschlüsse hatten. 1906 hatte man vom Binger Bahnhof ausgehend eine normalspurige Nebenbahn bis Büdesheim bzw. Dietersheim gebaut, u.a. um diese Weinbrennereien Scharlachberg und Racke an das internationale Bahnnetz anzuschließen. Bis 1957 wurden diese Anschlüsse genutzt.

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von Anzeige » Do 20. Jul 2023, 12:47

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Re: Der Binger Hafen um 1910

Beitragvon Heiner Neumann » Do 20. Jul 2023, 17:00

Wunderbare Aufnahmen, Horst! Da kann ich auch noch was zu dem Farbbild von 1915 beitragen. Das mehrgeschossige Gebäude rechts gegenüber dem Bahnhofsgebäude dürfte das alte Binger Zollamt sein.

Gruß

Heiner
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Re: Der Binger Hafen um 1910

Beitragvon Rolf » Fr 21. Jul 2023, 08:45

Wieder eine spannende Zeitreise. Vielen Dank!
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Re: Der Binger Hafen um 1910

Beitragvon Horst Heinrich » Fr 21. Jul 2023, 15:26

Heiner Neumann hat geschrieben:Wunderbare Aufnahmen, Horst! Da kann ich auch noch was zu dem Farbbild von 1915 beitragen. Das mehrgeschossige Gebäude rechts gegenüber dem Bahnhofsgebäude dürfte das alte Binger Zollamt sein.

Gruß

Heiner

Ja, Heiner, das war doch noch eine würdevolle Unterkunft!
Ich konnte nicht verstehen, warum die Zollverwaltung hier wegging, um in Bingen-Sponsheim einen häßlichen Neubau zu beziehen.
Irgendwann hieß es mal, "Neubau ist billiger als Altbausanierung". Aber wo kämmen wir hin, wenn nicht mal der Staat sehenswerte Bausubstanz erhält?

Heute befindet sich hier ein Lokal:
https://zollamtbingen.de/

Diese Karte von 1930 ist eisenbahntechnisch auch eine Besonderheit.
Hier wurde der Bau der Fußgängerunterführungen mit-dokumentiert. Sie ersetzten mit dem Bau des Reiterstellwerks die höhengleichen Bahnsteigzugänge.

Bild
Zuletzt geändert von Horst Heinrich am Fr 21. Jul 2023, 15:36, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Der Binger Hafen um 1910

Beitragvon Horst Heinrich » Fr 21. Jul 2023, 15:27

Rolf hat geschrieben:Wieder eine spannende Zeitreise. Vielen Dank!

Danke ebenso, mach' ich doch gerne.
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