Eisenbahnseite von Markus Göttert




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Re: Eisenbahnseite von Markus Göttert

Beitragvon Grauwacke » So 31. Jan 2021, 14:10

Danke Horst, für Deine anerkennenden Worte. Aber ich würde mich selbst nicht so hoch loben. Ich bin auch nur ein "gelernter" Eisenbahner, der das Glück hatte, in seiner Ausbildung noch etwas mehr beigebracht bekommen zu haben. Mit diesem Wissen möchte ich mich nicht verstecken sondern stehe Jedem Rede und Antwort, der mich danach fragt. Für Markus war ich allerdings auch immer nur ein Theoretiker, weil ich meine Karriere bei der Bundesbahn nicht als Güterbodenarbeiter begann, sondern nach dem Abitur im gehobenen Dienst eingestiegen bin. Und obwohl ich es als Gemeckere auf allerhöchstem Niveau erachte, so machen manche Alt-Bundesbahner hier doch einen kleinen aber feinen Unterschied. Ein sog. "StraBi" (Bundesbahninspektor von der Straße) genoss in den Augen eines "Kaltgewalzten" (Aufstiegsbeamten) immer weniger Ansehen, weil seine praktischen Erfahrungen nie dieselben waren, wie bei einem Eisenbahner, der sich aus der Rotte her hochgedient hatte. Aktuell muss man sagen, dass es in der Hauptsache die Aufstiegsbeamten sind, die noch aus der Bundesbahnzeit heute in den Führungsetagen sitzen und weniger die "StraBi's". Offenbar gelingt es aber auch diesen "Praktikern" nicht, das Schiff vor dem Sinken zu bewahren. Ich habe mich hingegen nie nach einer Führungsposition gestreckt, wohlwissend, dass ich mich dabei zu sehr hätte verbiegen müssen. Gelegenheiten hätte es bei der Bahnreform genug gegeben, aber da kamen eher die Krakehler und Maulhelden zum Zuge und das war ich nie. Ich wollte immer ein Experte auf meinem Gebiet, dem Bahnbetrieb, sein und nun bin ich froh, seit 20 Jahren als Fachautor die Fahrdienstvorschrift bearbeiten zu dürfen. Ich habe dabei viele kommen und gehen sehen. Die meisten haben das nicht durchgehalten und sahen ihre "Performance" gefährdet, wenn man zur Wahrung der Betriebssicherheit nach oben hin auch einmal NEIN sagen musste und damit unbequeme Positionen einnahm. So etwas ist einer beruflichen Karriere bisweilen abträglich, hat mich aber nie gestört, denn auch ich habe meine Beförderungen allesamt bekommen; wenn auch ein wenig später. Ich sehe mich nach wie vor als Chefanwender meiner Zielgruppen der FV, den Fahrdienstleitern und Lokführern. Ob mir dabei die Erfahrungen als Güterbodenarbeiter in Unzenberg, Mainz oder Frankfurt unbedingt geholfen hätten, mögen andere beurteilen, mir macht die Arbeit als anerkannter Experte immer noch Spaß und ich freue mich stets über konstruktive Vorschläge der Anwender, wie man das Regelwerk weiterentwickeln kann. Und den Stallgeruch bewahre ich mir durch meine aktive Tätigkeit als Fahrdienstleiter und Notfallmanager. Dabei muss ich nicht selten das "ausbaden" was man nach bestem Wissen und Gewissen in das Regelwerk geschrieben hat oder leider auch schreiben musste, weil der Druck von oben zu groß war. Ich würde mich trotzdem freuen, wenn Markus die Informationen seiner Homepage allumfassend einmal wieder irgendwo einstellen und nutzbar machen würde.
Über "König eta, den 176." möchte ich kein Wort mehr vergeuden; er ist in meinen Augen kein Freund der Eisenbahn. Er hat im Hintergrund mit seiner losen Feder einen immensen Schaden angerichtet. Das wissen seine "Jünger" leider nicht.
In diesem Sinne allen hier noch einen schönen Sonntag,
Dirk
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Re: Eisenbahnseite von Markus Göttert

Beitragvon Horst Heinrich » So 31. Jan 2021, 14:55

Lieber Dirk,

danke für Deine interessanten Ausführungen.
Dein Lebensweg ähnelt dem meines Onkel Hennes, der nach dem Abitur 1924 auch direkt als Inspektorenanwärter eingestiegen ist, dem aber im Betriebsdienst -egal ob auf einem Schranken-, Weichen-, Blockwärterposten oder gleich auf welchem Stellwerkstyp oder überhaupt in Sachen Betrieb oder Traktion- niemand etwas vormachen konnte.

Selbst nach seiner Pensionierung hat er, als gerngesehener Gast etwa im Stellwerk Gau-Algesheim (SpDr-L 60) oder seinem Wohnort Ockenheim (mechanisch, Einheit) mir aktiv das Wesen des Fahrdienstes nahegebracht. Der diensthabende Fdl konnte auf einem Stuhl mal ein Päuschen machen und Onkel Hennes schmiß auch mit 70 noch "den Laden".

Als ich mit ihm so um 1972 herum das Bw Bingerbrück besuchte -dort trafen wir dann meinen Gau-Algesheimer Landsmann Schorsch Stuhlträger, ein Bingerbrücker Urgestein, der bis zuletzt hier Dampfloks führte- konnte er noch mühelos eine 50er aufrüsten, fahren und erklären, obwohl seine Lokführerprüfung, die man damals als Inspektor ebenfalls ablegen mußte, mehr als 40 Jahre her war. Dann stiegen wir noch um auf eine V 160, auch auf dieser Maschine war er noch "zuhause".

Dieses breite Fachwissen sorgte dafür, daß sehr sehr viele damals junge Berufsanfänger oder Menschen, die sich auf Verwendungs- oder Aufstiegsprüfungen vorbereiteten, bei ihm zuhause aus- und eingingen um sich fit zu machen.
Das war ein von ihm gern übernommenes "Ehrenamt" im Ruhestand.
Und ich durfte mit 12, 13 Jahren dabeisitzen und alles aufsaugen.

Daß viele Beamtenanwärter der Ära Markus manch ungeahnten Abstecher in Verkehrs- oder Rangierdienst machen mußten und dort zusätzliche Erfahrungen sammeln konnten, die sie heute dazu verleiten, zu denken, sie hätten sich von ganz unten hochgearbeitet, lag zum einen an den damaligen Möglichkeiten, auch ohne formale "Mittlere Reife" als Jungwerker anzufangen, zum anderen an fehlenden Dienstposten nach bestandener Laufbahnprüfung.

So fand sich macher BAss statt mit blauer Uniform mit schwarzem Arbeitsanzug als Güterboden- oder Bahnhofsarbeiter wieder.
Man nannte das "unterwertige Beschäftigung" und die bewahrte einen nicht selten davor, in einen Dienstposten eingewiesen zu werden, auf den man nicht so scharf war.
Erst 2016 hat das Bundesverwaltungsgericht eine solche, nicht der erreichten Laufbahn angemessene Beschäftigung für unrechtmäßig eingestuft.
Zuvor war das eine gängige Praxis um, wie gesagt, eine Zeit bis zum Freiwerden eines angestrebten Dienstpostens zu überbrücken.

Das passierte nämlich manch einem Alterskamerad von mir. Zwar hätte er im Großraum Frankfurt einen Fdl-Posten bekommen können, aber lieber blieb er als Güterbodenarbeiter in Bingen, als daß er jeden Tag nach Bad Vilbel gefahren wäre.
Und meist hat es dann doch nach einem Jahr mit einer heimatnahen Dienststelle geklappt.

Aber all das ist kein Grund, einem "höheren" Beamten den Stallgeruch anzusprechen.
Die Gesellschaft im 21.Jahrhundert: Bei vielen nichts anderes als das Fortleben des prähistorischen Menschen unter der dünnen Schale der Zivilisation.
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Re: Eisenbahnseite von Markus Göttert

Beitragvon Grauwacke » Mo 1. Feb 2021, 09:50

Hallo Horst,

danke für Deine Ausführungen. Der Lebenslauf von Deinem Onkel Hennes deckt sich fast mit dem meines Vaters, der nur 3 Jahre später als Inspektorenanwärter bei der Deutschen Reichsbahngesellschaft eingestiegen ist. Ich möchte auch nicht falsch verstanden werden. So war es nie meine Absicht, die Fähigkeiten derjenigen Kollegen in Abrede zu stellen, die sich von unten hochgearbeitet haben, ich habe allergrößten Respekt vor diesen Lebensleistungen. Aber ich habe immer nach der Devise gehandelt: Leben und Leben lassen! Der letzte wirklich gute Justitiar der DB Netz AG war z. B. überhaupt kein Jurist. Er hatte im gehobenen nichttechnischen Dienst der Bundesbahn, quasi als "StraBi", seine Laufbahn begonnen und sich mit Leib und Seele der EBO gewidmet. Sie war quasi sein Hobby und zwar so sehr, dass er mit seinem Engagement den Aufstieg in den höheren Dienst schaffte und als Bundesbahndirektor in den Ruhestand ging. Alle studierten Juristen in unserem Hause hörten auf seinen Rat und die wirklich kniffligen Rechtsgutachen stammten mehr oder weniger aus seiner Feder. Da ihm auf Grund seines fehlenden Studiums der Rechtswissenschaften die Unterschriftsbefugnisse fehlten, zeichneten unsere Hausjuristen seine Expertisen quasi blind. Seine Kenntnisse reichten so weit, dass er, zusammen mit anderen Kollegen, den heute noch wegweisenden Kommentar zur EBO verfasste. Seine Name: Klaus Dieter Wittenberg. Ein Meister seines Faches. Ihm aber seine Fähigkeiten abzusprechen, nur weil er nicht als Jungwerker seine Karriere begann, wäre vermessen und nur darauf kam und kommt es mir an. Auch heute noch richten wir uns hilfesuchend an diesen Kollegen, der uns im Hintergrund als Pensionär stets gewogen bleibt und alle Fragen beantwortet. Ob unser Unternehmen und unsere Gesellschaft noch einmal solche belesenen Kollegen hervorbringt, wage ich zu bezweifeln. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

Viele Grüße, Dirk
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