Rückbau historisches Bahnsteigdach in Niedermendig




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Rückbau historisches Bahnsteigdach in Niedermendig

Beitragvon Grauwacke » Mo 17. Aug 2020, 12:54

Hallo Zusammen,

da mich die Pufferküsser im MRF ja weggemobbt und mundtot gemacht haben, möchte ich an dieser Stelle einmal darauf hinweisen, dass auch wir als Eigentümer des Bahnhofs Wilsenroth einmal gewillt waren, den seinerzeit noch geöffneten Wartesaal auch weiterhin den Fahrgästen zur Verfügung zu stellen. Dazu nahmen wir sogar einen original Holzofen, der dort noch stand, wieder in Betrieb, um den Reisenden einen warmen Wartebereich zu präsentieren. Ergebnis: Das blöde Volk hat die glühenden Briketts aus dem Ofen genommen und auf die alten Dielenböden geworfen, wie um ein Haar Feuer gefangen hätten. Nur durch Zufall konnten wir einen Brand im Seitenflügel des Bahnhofs abwenden. Seitdem steht der Fahrkartenautomat im Freien und der Wartesaal ist dicht. Das war der Dank für unseren guten Willen. Sollen die Fahrgäste doch frieren und die Scheiben der DB AG an den Wartehäuschen zerstören. Man möchte es ja so. Von daher kann man die neuen Eigentümer solcher exponierter Gebäude auch verstehen. Den Vorschlag von Bruno im Nachbarforum, die Gebäude der öffentlichen Hand zu übertragen, hätte nur den weiteren Verfall der Liegenschaften bedeutet. Die Idee der Bundesbahn, dort Mitarbeiterwohnungen vorzuhalten, war seinerzeit gar nicht schlecht. Das Gebäude war bewohnt und die Bewohner waren nicht selten im Stellwerk im Erdgeschoss beschäftigt. Das schaffte eine gewisse soziale Kontrolle vor Ort. Aber auch diese Zeiten sind ja vorbei.

Viele Grüße, Dirk
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von Anzeige » Mo 17. Aug 2020, 12:54

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Re: Rückbau historisches Bahnsteigdach in Niedermendig

Beitragvon Bruchsal J-Stellwerk » Mo 17. Aug 2020, 13:50

Asozial! Naja, ich hätte mich das schon von vornherein garnicht getraut, die Wartehalle öffentlich zu lassen, bei dem Klientel was da manchmal rum läuft und alles beschmiert, zerkratzt oder kaputt macht. Dann gibt es ja noch manche Idioten, die in die Ecke pink.... und schei....
Nunja, besser noch einen Zaun ums Gelände.

Lg
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Re: Rückbau historisches Bahnsteigdach in Niedermendig

Beitragvon Knipser1 » Mo 17. Aug 2020, 14:05

Ich wollte die Diskussion im MRF auch nicht weiter fortführen, aber man muß folgendes sagen:

a) der Bahnhof wurde durch die Privateigentümer mustergültig restauriert.

b) die Bahnsteigüberdachung gibt es auch schon gefühlte "Urzeiten" - aber gehört nicht zur ursprünglichen Ausstattung des Bahnhofs Niedermendig, wurde also nachträglich angefügt.

Bild


Insofern kann man verstehen, dass der Rückbau genehmigt wurde. Die heimische untere Denkmalschutzbehörde ist ohnehin - naja...


Grüße

Guido
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Re: Rückbau historisches Bahnsteigdach in Niedermendig

Beitragvon Horst Heinrich » Mo 17. Aug 2020, 16:10

Die Diskussion im Nachbarforum zum Bahnsteigdach Niedermendig fand ich jetzt nicht sonderlich unqualifiziert entartet, es gibt "da drüben" schlimmere Exzesse, oft angestoßen oder moderatorenmäßig gerügt bzw. beendet von ferrosexuellen Spinnern, da gebe ich Dirk recht, von diesen großen Bubchen werden dann unliebsame Denkende gerne entsorgt, herausgemobbt.

Dirk, Deine Erfahrung mit dem Wartesaal ist sehr traurig, was würde ich drum geben, nochmal in einer solchen "Location" einzukehren, diese Räume hatten, nicht nur stilistisch, sondern auch olfaktorisch wahrnehmbar, immer einen besonderen Touch, den ich zum ersten Mal so richtig bei Alma Fries, der Bahnagentin in Hillesheim - Dorndürkheim (Strecke Gau-Odernheim - Osthofen) 1973 eingesaugt und seitdem gespeichert habe.

Es war die stimmungsvolle Reinkarnation des 19.Jahrhunderts, das Volk, das sich heute uns achtsamen Menschen ungefragt beimischt, unsere Atemluft stiehlt und nur aufs Zerstören aus ist, weil es selbst innerlich zerstört ist, kann solch eine Wahrnehmung gar nicht mehr entwickeln. Daher auch das achtlose Vergehen am Ofen, das sind doch Menschen, die man, so drückte es mal mein Opa aus, früher direkt zum Austoben an die nächste Front geschickt hätte, wo sich ihre Dummheit, zu überleben, bereits in der ersten Woche gezeigt hätte.

Zum Thema "erhaltenswürdige Bahngebäude". 90 Prozent aller Empfangsgebäude und ihrer Anlagen befinden sich schon seit Jahrzehnten nicht mehr im Originalzustand. Den Anfang machten Umbauten im Rahmen erweiterter Anforderungen an die Leit- und Sicherheitstechnik. Zur Erhöhung der Streckenkapazitäten wurden Stellwerke an- und eingebaut, Überholgleise geschaffen, später gab es auf Putz verlegte Elektroleitungen und hierzu oft Verletzungen der Bausubstanz, selbst die an der Strecke verlegten isolatorgeführten Freileitungen oder einfach in die Landschaft gestellte Außenspannwerke haben sicher den ästhetisch empfindenden Menschen 1920 genauso gestört wie die Windräder den ästhetisch Wahrnehmenden heute.
Bahnsteigdächer waren früher ein Komfortmerkmal bedeutender Bahnhöfe, rein praktisch waren sie notwendig, weil die Textilien jener Zeit alles andere als robust waren. Wer auf dem Bahnsteig naß wurde, der wurde den ganzen Tag nicht mehr trocken. Eine Erkältung 1910 war schon fast ein halbes Todesurteil.
Andererseits, außer auf Kreuzungsbahnhöfen gab es auf der normalen Station für den Reisenden keine Wartezeit. Wenn wir früher zum Zug gingen, gingen wir so zeitig los, daß der Zug praktisch einfuhr, als wir am Bahnsteig standen. So hielt ich mich in den 1960er und 1970er Jahren in Wartesälen aus historischem Interesse auf, nicht weil es notwendig war.
Und Verspätungen waren sowieso die Ausnahme.

Warum also baute man im 19. und frühen 20. Jahrhundert so üppig und beeindruckend?
Die Bahn hatte im 19. Jahrhundert neben der Erschließungs- eine Repräsentationsfunktion. Hier vergegenwärtigte sich der mächtige "Vater Staat" voluminös selbst noch im kleinsten Dorf. In Grenzregionen gab es einen regelrechten "Bahnhofswettkampf", schön zu sehen z.B. in Rheinhessen, wo der hessen-darmstädter Großherzog den bayerischen Nachbarn Bahnhöfe -einer schöner als der andere- vor die Nase baute. Und die Bayern legten nach, stockten ihre Bahnhöfe auf, erweiterten sie, bauten Bahnsteigdächer, obwohl es ja reichte, bei Regen erst aus dem Wartesaal zu treten, wenn der Zug auf dem Gleis stand. Schon damals war jeder zweite Bahnhof überdimensioniert. Die Organisation des Betriebes und Verkehrs, der Habitus der Beamten, die Ausstattung, alles hatte militärische Vorlagen. Der Zug wurde als Gnadenmittel angesehen, in das man ehrfürchtig über mehrere Stufen aufsteigen mußte wie in eine Wallfahrtsstätte, die Bahnhöfe betrat man von der Straßenseite her immer über eine Treppe genau wie eine Kirche.

Als Mietobjekte eigneten sich die alten Bahnhöfe ab den 1960er Jahren auch nicht mehr. Wer wie ich 15 Jahre in einem Haus von 1914 mit 3,80m hohen Wänden gewohnt hat, weiß was es heißt, ein solches Gebäude warm und die 60cm dicken Wände trocken zu halten. Einzig Eisenbahner nutzten diese Wohnungen noch gerne, für sie galten ja ermäßigte Mietpreise.

Ich weiß daher nicht, ob alles, was heute noch so -unzählige Male verändert- in der Landschaft herumsteht, so historisch wertvoll ist, daß es erhalten werden muß.
Vielleicht wird man sich von dem einen oder anderen auch trennen müssen.
Die Gesellschaft im 21.Jahrhundert: Bei vielen nichts anderes als das Fortleben des prähistorischen Menschen unter der dünnen Schale der Zivilisation.
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Re: Rückbau historisches Bahnsteigdach in Niedermendig

Beitragvon Rolf » Mo 17. Aug 2020, 17:48

Horst Heinrich hat geschrieben:Als Mietobjekte eigneten sich die alten Bahnhöfe ab den 1960er Jahren auch nicht mehr. Wer wie ich 15 Jahre in einem Haus von 1914 mit 3,80m hohen Wänden gewohnt hat, weiß was es heißt, ein solches Gebäude warm und die 60cm dicken Wände trocken zu halten. Einzig Eisenbahner nutzten diese Wohnungen noch gerne, für sie galten ja ermäßigte Mietpreise. ....

Ich habe bis zum 6. Lebensjahr in so einer Dienstwohnung gelebt, und zwar bis 1967. Der nicht ganz kleine Bahnhof von Weeze war ein großer, spannender Spielplatz für mich.
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