Anläßlich des 1988er Tramper-Monats-Tickets zog es uns zur "Württembergischen Allgäubahn" - genauer gesagt in Richtung Aulendorf. Wagenzettel aus einem Frechener Sandwagen - ich weiß nicht mehr ob Tds oder Ucs - machten uns auf die Strecke zur Oberland Glas (Heute merheitlich im Eigentum der Saint-Gobain) in Bad Wurzach neugierig. Und so fanden wir uns in Aulendorf ein, und frugen einmal mehr kackfrech nach einer Mitfahrgelegenheit, nachdem uns die örtliche Aufsicht die 211 288 als Zuglok der Übergabe verraten hatte. Was der Tag für mich persönlich noch bringen würde, wagte ich nicht zu hoffen...er wurde auch für meinen beruflichen Werdegang zum Meilenstein.
Wir hatten die Übergabe gerade fertig zusammengestellt, erhielten Ausfahrt, da begann der Lokführer mich zu mustern, bemerkte meine aufmerksamen Blicke auf Instrumente und Buchfahrplan, und wollte wissen, ob ich schon einmal gefahren sei, und wahrheitsgemäß bejahte ich - allerdings bestand die Praxis aus ein paar mal 110, 215 und 218 mit braven scheibengebremsten n-Wagen und ein wenig V90 im Rangiertempo.
Mit den Worten "Na prima, ich hab heute keine Lust!" stand er vom Sitz auf, nachdem er sich bis zur Fahrstufe 15 hochgeschaltet hatte, und sagte: "Einmal übernehmen bitte!", während er den SIFA-Taster am langen Arm gedrückt hielt, bis ich auf dem Führersitz saß. Am Ende bin ich dann - bis auf die paar Minuten zum Fotografieren - tatsächlich die ganze Tour hin und zurück gefahren, es war ein einfach nur genialer Tag. Das herrliche Sommerwetter, die tolle Landschaft, die herrliche Strecke, die kreuzbrave Maschine, die trotz 47 t Überlast keine Zicken machte... Daß ich bei der beschwerlichen Bergfahrt auf der letzten Etappe des Hinwegs besonders Kühlwasser - und Getriebeöltemperatur im Auge hielt. ohne daß er mich darauf aufmerksam machen mußte, gefiel unserem Meister wohl, und er fühlte sich in seiner Entscheidung bestätigt, er grinste jedenfalls zufrieden, und auch unser Zugführer schien keinerlei Bedenken zu haben. Nur bei kritischen Stellen auf der mir bis dahin unbekannten Strecke gab er mir einige Hinweise. Ich muß allerdings zugeben, daß ich mit dem alten Drehschieberventil Knorr Nr.8 und der Bremsstellung G so meine Startschwierigkeiten hatte....irgendwann macht man alles zum ersten mal, der Lokführer schien mit seinem 16jährigen Anwärter am Schluß jedenfalls relativ zufrieden.
Doch nun genug der Worte, lassen wir ein paar Bilder folgen:
Die erste Etappe - Roßberg - ist erreicht. Kurios: Schon zum damaligen Zeitpunkt war Roßberg (km 45,3) nur Betriebsbahnhof zum Kreuzen und um den Fahrtrichtungswechsel durchzuführen. Die ersten 104 m Höhenunterschied sind auf 17 km überwunden, ich habe die Lok schon umgesetzt.
Der Lokführer war so freundlich, mir während der Dauer der Fotoarbeiten die bedienende Funktion der vereinfachten Bremsprobe abzunehmen - vielen Dank. Der ebenfalls in voller Dienstkleidung angetretene Zugführer kommt nach vorn, noch schnell ein Foto, dann wird es - trotz der kleinen Übersetzung (65-km/h-Ackergang) - beschwerlich für Frau 100. Roßberg und Bad Wurzach liegen zwar annähernd auf gleicher Seehöhe, dazwischen gilt es jedoch, mittels bis zu 28,5 Promille Neigung einen Höhenzug zu überwinden.
Geschafft - der Lack ist zwar schon etwas stumpf, aber unser Mädchen hat seinen Zug (Hintergrund) zuverlässig im "Glasbahnhof" Bad Wurzach abgeliefert, und kühlt nun ein wenig ihre Betriebsstoffe, bevor es mit deutlich weniger beschwerlicher Last zu Tale geht....Im Hintergrund ist offenbar das Sammelgleis für Schadwagen, denn der österreichische Shimms hat wie es scheint bei Be-oder Entladen böse einen mit dem Kran abbekommen....
Zu unserer allseits geliebten V100: Ist jemandem eigentlich schon mal die unterschiedliche Stirnfensterausführung auf jeder Seite der V100 aufgefallen? Hand aufs Herz! Diese vorbildgerechte Besonderheit soll im Hause Märklin vor vielen Jahren sogar zu Reklamationen geführt haben....das rückwärtige bzw. in Fahrtrichtung jeweils linke Fenster ist ausstellbar ausgeführt, was die Lüftungsmöglichkeiten des Führerstandes verbessert, offen gesehen habe ich sie jedoch niemals wirklich bewußt. Bei nicht wenigen Loks wurde das auch im Rahmen von Hauptuntersuchungen geändert, und beide fix in Gummi gefaßt.
Zur befahrenen Strecke Roßberg Bbf - Bad Wurzach:
Eine äußerst wechselhafte Geschichte...die 11 km lange Strecke wurde 1904 eröffnet, warf jedoch nie die erhofften Gewinne ab, so daß man sie schon 1927 wieder stillegen wollte. Während sich das für den Reiseverkehr noch bis 1963 hinzog (!!!), überlebte der nicht unerhebliche Güterverkehr dieses Vorhaben - festhalten bitte - ganze 75 Jahre! Erst Ende 2002 sollte der "letzte" Güterzug rollen, was nur Monate später revidiert wurde. Doch da die DB Netz kein Interesse an der Strecke hatte, wurde sie von der Stadt Bad Wurzach übernommen, die sie ab 2004 mit Hilfe der WEG als EIU betreibt. Die Bayrische Cargo Bahn BCB fuhr fortan die Oberland-Glas-Verkehre bis 2012 die Stock Transport GmbH übernahm, welche sie jedoch ebenfalls schon nach 4 Jahren wieder einstellte, und die Strecke wieder in Dornröschenschlaf verfiel. Seit Anfang 2018 rollen jedoch wieder einzelne Güterzüge, nachdem DB ZugBus Regionalverkehre Alb-Bodensee (RAB) im jahre 2010 an bestimmten Wochenenden und zu speziellen Anlässen im Zweistundentakt einen 628 im Ausflugsverkehr pendeln ließ. Mittlerweile finden diese Verkehre im Sommer an jedem Sonntag statt, und werden unter dem Namen "Moorbahn" (das Wurzacher Ried ist eines der größten zusammenhängenden Hochmoorgebiete Mitteleuropas, das sogar mit einer heute touristisch genutzten Torfbahn bereist werden kann) mit RS1 (BR 650) durchgeführt.
Zur Orientierung:
EDIT: Nachdem ich mit dem gelb-grün-lastigen Ergebnis meiner Scan-Nachbearbeitung nicht wirklich zufrieden war, und sichergehen wollte, daß es an meinem noch nicht so ausgeprägten Geschick mit all den Reglern und Möglichkeiten der Nachbearbeitung lag, und nicht am Material, schickte ich die Bilder an Günter T, der so freundlich war, mit inklusive eines Schnellkurs die wichtigsten Schritte zu erklären. Seine Ergebnisse habe ich nun hier eingesetzt, und bin froh, nun die Bestätigung zu haben, daß da doch noch viel Luft nach oben ist. Daher meinen ganz herzlichen Dank an Günter und liebe Grüße nach Troisdorf...
„Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“
Albert Einstein
"Ich bin, wie ich bin. Die einen kennen mich, die anderen können mich...!"
Konrad Adenauer