Rückkehr zum Zückerrübentransport per Bahn ?




Rückkehr zum Zückerrübentransport per Bahn ?

Beitragvon Horst Heinrich » Sa 7. Nov 2020, 16:57

Ein, wie ich meine, interessantes Pilotprojekt.

https://www.youtube.com/watch?v=zAbkfVS8mzk
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Re: Rückkehr zum Zückerrübentransport per Bahn ?

Beitragvon Rolf » Sa 7. Nov 2020, 18:50

RTB Cargo hat im September 2020 auf der Bördebahn ebenfalls einen Zug mit Zuckerrüben gefahren. Das kann man nur begrüßen! Hier zwei Bilder bei Facebook:

https://www.facebook.com/Eisenbahnverke ... 489252533/
https://www.facebook.com/Eisenbahnverke ... 485919200/

Bemerkenswerterweise nachts auf freier Strecke. Geht wohl nicht anders, denn tagsüber findet ja mittlerweile der Vorlaufverkehr statt und Ladegleise gibt's bekanntlich ja auch kaum noch.
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Re: Rückkehr zum Zückerrübentransport per Bahn ?

Beitragvon Dieselpower » So 8. Nov 2020, 10:58

Erfreulich, aber angesichts immer bekloppter werdender Richtlinien erstaunlich, daß die Feldrainabholung wiederentdeckt wurde...
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Re: Rückkehr zum Zückerrübentransport per Bahn ?

Beitragvon Horst Heinrich » So 8. Nov 2020, 11:25

Rolf hat geschrieben:
Bemerkenswerterweise nachts auf freier Strecke. Geht wohl nicht anders, denn tagsüber findet ja mittlerweile der Vorlaufverkehr statt und Ladegleise gibt's bekanntlich ja auch kaum noch.


Im einstigen "Land der Reben, Rüben und Raketen" (Rheinhessen-Pfalz), meiner Heimat z.B. ist zum Glück noch einiges an Infrastruktur da, oft zwar nur noch das Abstellgleis leider ohne Weiche, aber wenn man wollte, könnte man sie wieder einbauen. Überhaupt sieht man ja allerorten, was möglich ist, wenn man wirklich Bahnverkehr will.

Aber an dieser Thematik sieht man auch sehr schön die fehlende Nachhaltigkeit politischer Entscheidungen, die nicht auf dem Volkswohlgedanken, sondern auf Lobbyismus basieren.

Schon vor 30 Jahren war der Zuckerrübenversand per Bahn die einzig nachhaltige und sinnvolle Variante.

Aber in den 1990er Jahren wollte eine unselige Allianz aus Südzucker, Bauern und Landesregierung gegen jede Vernunft die Umstellung auf Feldrandabholung per LKW.
Es wurden Transport-GbR's gegründet, mit Landesmitteln LKW's angeschafft, Rübenwaschanlagen eingebaut, die Unmengen Frischwasser verschlangen (vorher war der Dreck nach ein paar Tagen Zwischenlagerung am Bahnhof einfach abgefallen), jungen Bäuerchen wurde der Führerschein Klasse II bezahlt und die Bahn war nicht unfroh, denn der Zuckerrübentransport -freilich lukrativ- war allein eine personelle und logistische Herausforderung. So gab es etwa im Bw Mainz und der Bw Außenstelle Worms ab September beim Lok- und Rangierpersonal Urlaubssperren, aus vielen Bw's (etwa Darmstadt) mußten Loks, vorwiegend der Baureihen V 160 und V 100 in Rheinhessen und der Pfalz zusammengezogen werden.
Das Rangiergeschäft war nur durchführbar, weil es im Pv keinen Taktfahrplan gab und dementsprechend auch tagsüber längere Zugpausen.

Aber dieses Rangiergeschäft, bisweilen umständlich wegen rückgebauter Gleisanlagen aus Bahnhöfen (wenn etwa das Rübengleis nur noch einseitig an die Strecke angebunden war), war eine ökologisch sinnvolle Sache. 1000 Tonnen Fracht in einem Zug, das sind rund 30 Lkw-Fuhren.


Heute müßte das ganze anders organisiert werden, aber man bekäme es hin.
Entscheidend wäre aber eine neue Allianz pro Schiene: Politik-Bauern-Südzucker.
Und da ja auch heute engagierte private Bahnunternehmen Zugang zum Netz haben, könnte sich auch hier etwas entwickeln.
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Re: Rückkehr zum Zückerrübentransport per Bahn ?

Beitragvon Rolf » So 8. Nov 2020, 13:48

Horst Heinrich hat geschrieben:
Rolf hat geschrieben:Aber an dieser Thematik sieht man auch sehr schön die fehlende Nachhaltigkeit politischer Entscheidungen, die nicht auf dem Volkswohlgedanken, sondern auf Lobbyismus basieren.
...

Die schlimmste Vernichtungsorgie der vorhandenen Infrastruktur fand m. E. unter Mehdorn statt, der von der rotgrünen Bundesregierung eingesetzt wurde, um die Bahn auf Teufel komm raus an die Börse zu bringen. Ich erinnere mich, dass in dieser Zeit 150 Kunden in der Eifel der Anschluss gekündigt wurde (um 2000). Die EBM sollte einen Teil davon übernehmen, ging dann aber pleite. Die Kunden sind dann alle abgewandert auf die Straße - und kommen nie wieder zurück. In Daun hat die DB im Zusammenhang mit ihrem "Rückzug" 1999 noch schnell im Stile Models bei der "Büffelbewegung" das letzte Ladegleis rausgerissen, um Kosten für den Unterhalt einzusparen bzw. der Konkurrenz einen Riegel vorzuschieben. Als Rotgrün dann erkannte, welch' verheerende Folgen diese Politik hatte, wurde noch schnell ein Förderprogramm aufgelegt und aus diesen Mitteln das Ladegleis Anfang der 00er-Jahre wieder aufgebaut. Wie absurd! Der Schwachsinn von Rotgrün und Mehdorn lässt sich am Beispiel Daun exemplarisch festmachen, und die Rotgrünen müssen mir seither nicht mehr kommen damit, dass sie eine bessere Bahnpolitik machen. Im Gegenteil, die bereits wenig gelungene Bahnreform von Kohl wurde durch den rotgrünen Privatisierungswahn noch deutlich übertroffen und hat eine verwüstete Infrastruktur hinterlassen. Es ist eine Katastrophe, von der sich die Bahn nicht mehr erholen kann, weil die entsprechenden Flächen vielfach verschachert wurden und heute längst überbaut sind. Was für ein Irrsinn!
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Re: Rückkehr zum Zückerrübentransport per Bahn ?

Beitragvon Horst Heinrich » So 8. Nov 2020, 15:38

Sehr stimmig zusammengefaßt, Rolf, und ersetzt man Daun durch Westerburg, Sprendlingen (Rhh), Gau-Odernheim oder Monsheim, finden sich überall Beispiele dieses Vernichtungsfeldzuges.
Die Krönung der Perversion waren Prämien für Netzbezirksleiter für jeden abgebauten Kilometer.
Als die Herren dann erkannt hatten, daß sie sich faktisch selbst ihren Arbeitsplatz wegrationalisiert hatten, weil ihre Bezirke durch Reduktion der zu betreuenden Gleislängen zusammengefaßt wurden, war es schon zu spät und manch einer fuhr dann täglich 50 km weiter zum Job.

So wenig ich von diesem Abschaum Mehdorn, Schröder, Fischer & Co. halte, man darf das grundsätzliche Desinteresse des "gemeinen" Volkes an der Bahn aber auch nicht unterschlagen.

Ich habe es exemplarisch an den Rettungsversuchen der KBS 661 (Bodenheim-Alzey) 1985 erlebt. Eine völlig intakte Strecke einschließlich aller Nebenanlagen, hier waren sowohl ein umfangreicher Güterverkehr, als auch ein passabler Personenverkehr etabliert. Der Landrat von Alzey-Worms, Rolf Rein, engagiert auf unserer Seite, der Landrat von Mainz-Bingen, Johann Wilhelm Römer, zumindest abwartend skeptisch hinsichtlich der Stillegung, bis auf einen Bürgermeister (Gau-Odernheim) unterstützte uns keiner (das Thema habe ich hier schon einmal angerissen viewtopic.php?nxu=78852449nx65167&f=8&t=205&p=960&hilit=661#p960 ).

Damals fuhr ich als Student noch in Rheinhessen Bus, parallel zur Strecke, und ich habe auch erlebt, wie versessen die Bevölkerung auf dieses "flexible" Verkehrsmittel war, obwohl der Zug schneller war.

Wenn ich eines in 58 Lebensjahren und in meinem zweiten Studienabschluß Geschichte (Lehramt) gelernt habe: Hier versagen die demokratischen Kräfte beim Volk, hier muß ein "guter König" einfach befehlen, was gut ist, so wie etwa der hessen-nassauische Großherzog in Sachen Eisenbahn im 19.Jahrhundert, denn der "demokratische" politische Mandatsträger ist immer anfällig für Eigennutz statt Volkswohl. Es liegt in der Natur des "kleinen" Königs immer ein wirklicher sein zu wollen, doch es fehlt ihm die souveräne Erhabenheit mit dem Blick fürs Ganze.

Hier übrigens sieht man mal, daß auch kleine Strecken (wie etwa Osthofen-Bechtheim) gut im Rübenverkehr bedient wurden:

https://www.drehscheibe-online.de/foren ... 17,5450618
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Re: Rückkehr zum Zückerrübentransport per Bahn ?

Beitragvon Grauwacke » Mo 9. Nov 2020, 10:25

Ich kann Euch allen hier nur beipflichten. Als ich selbst in den achtziger Jahren die Rübenkampagne rund um die Felder Wiesbadens miterlebt habe, gab es im Vorortbahnhof Wiesbaden-Erbenheim neben dem Anschluss der Amerikaner auf der Air-Base noch einen stattlichen Rübenverkehr über Raiffeisen. Drei über 700 Meter lange Abstellgleise und ein langes Ladegleis wurden für den Rübenverkehr dort benötigt. Auch ein großer Getreidesilo sorgte dort für durchgängigen Güterverkehr. In der Hochzeit der Rübenverladung verfügte dieser Bahnhof mit 2 mechanischen Stellwerken sogar über eine eigene Köf II, die dort den Ortsdienst verrichtete und Züge bildete. Als junge Inspektoren mussten wir immer dort hin, weil es da alles zu lernen gab. Mein alter Chef sagte immer, dass man dort alle Gewerke der Kapitel der FV (Fahrdienstvorschrift) erleben könnte. Damals wurden diese Kapitel abgekürzt mit den Kürzeln: Al Fa Zu So Ra Bi Ne. Das waren die Anfangsbuchstaben der Kapitel:
Allgemeines
Fahrdienst auf den Betriebsstellen
Zugfahrdienst
Sonderzüge
Rangierdienst
Bilden der Züge
Nebenfahrzeuge (Entgleisen und Aufgleisen leicht gemacht) :D

Neben dem Betriebsdienst gab es dort auch den Ladedienst, das Frachtgeschäft, den Schalterdienst, den Wagendienst und die Reisezugauskunft für den Bahnhof Wiesbaden Hbf, wenn dort die Auskunft überlastet war. Dann haben die einfach die Telefone auf die umliegenden Bahnhöfe umgeschaltet.

Wer von den Deppen, die nach 1990 geboren sind und mittlerweile bei der Bahn oder sonstwo gelernt haben und nun bei uns arbeiten oder sagen wir besser "gestrandet" sind, kennt überhaupt diese Begriffe noch?

Wenn man jetzt solche Transportpotentiale wiederentdeckt, dann feiert man dies als großartige Errungenschaft einer modernen und ökologisch bewussten Gesellschaft. Dabei müsste man nur die Uhr um 40 Jahre zurückdrehen und zwar konsequent. Damals gab es noch so "exotische" Dinge, wie Anschlussstellen auf der freien Strecke. Wenn damals jemand vorgeschlagen hätte, Züge in Arbeitsruhen auf der freien Strecke zu beladen, man hätte ihn in die Wüste zur Gummibahn gejagt. Das hätte auch wegen der Streckenbelegung überhaupt nicht funktioniert.

Ach ja, genug geträumt. Noch 10 Jahre hier aushalten, dann ist endgültig Schluss!

Viele Grüße in die Runde,
Dirk
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Re: Rückkehr zum Zückerrübentransport per Bahn ?

Beitragvon Dieselpower » Di 10. Nov 2020, 20:12

Grauwacke hat geschrieben:Ach ja, genug geträumt. Noch 10 Jahre hier aushalten, dann ist endgültig Schluss!

Viele Grüße in die Runde,
Dirk


Wie recht Du doch hast - dieses Land ist zum Scheitern verurteilt, und ich glaube, man bekommt das Ruder gar nicht mehr rumgerissen vor der Eisbergkollision. Von einer Reaktion des trägen Schiffes mit beschleunigter Masse fange ich lieber gar nicht an....

Momentan genieße ich die Auswirkungen der "Maßnahmen" unserer Coronaexperten um das Merkelmonster und seine Entourage. Der Feierabend in Essen bestand aus Flaschenbier vom Kiosk, einer Currywurst Pommes Mayo auf einem Stromkasten und ein wenig Sitzen auf verwaisten Stühlen des gerade abgesagten Weihnachtsmarkts. Und das in der bedeutendsten Stadt des Ruhrpotts....

Wir sind am Ende....während der "Demokrat" jenseits des großen Teiches gerade des massiven Wahlbetruges überführt wird.....
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