Do 9. Jan 2020, 23:22
In der historischen Betrachtung der V 100 darf ein Bild nicht fehlen, das der Abschiedsfahrt der letzten Eisenbahner des Hunsrückes über die Gesamtstrecke (Langenlonsheim-Türkismühle) vor der Stillegung des Abschnittes Morbach-Hermeskeil am 31.12.1997.
Das Bild ist vor 22 Jahren unweit des Erbeskopfs aufgenommen. Damals konnte man noch den gesamten Hunsrück von Langenlonsheim über Simmern und Hermeskeil bis Türkismühle mit dem Zug befahren und hinter der V 100 hängt ein aus VT gebildeter Sonderzug, der letzte, der die Gesamtstrecke befuhr.Abschied von einer Epoche, könnte man diese Fahrt nennen
Die Strecke war noch in einem guten Zustand, abschnittsweise waren sogar 60 km/h zugelassen.
Es zeigt die letzten 6 Eisenbahner des Hunsrückes.
(Heute leben schon drei nicht mehr).
Es ist bitter kalt, aber sie beißen die Zähne zusammen, eine Lektion, die man im Hunsrück angesichts des unberechenbaren (Bahn-)Wetters gelernt hat. Zähne zusammenbeißen - und weiter geht es. Das Rad muß rollen - pünktlich und zuverlässig. Das Volk muß zur Arbeit, die Ware zum Kunden. 6 Eisenbahner aus Simmern, der letzten Bahndienststelle des Hunsrückes wo es noch zum Jahreswechsel 1957/58, also 40 Jahre zuvor über 500 von ihnen gab, von diesen motivierten und stolzen Eisenbahnern. Und auf den Bahnhöfen rundum arbeiteten noch einmal 200, vorwiegend Beamte und Arbeiter. 6 sind also von 700 übriggeblieben, von dutzenden Dienststellen eine einzige, von 100 Gebäuden ist auch nicht viel erhalten. Im günstigen Fall in gute Hände verkauft (z.B. Hoxel), oft in ungute Hände verscherbelt (z.B. Hirschfeld), ansonsten abgerissen (z.B. Buchholz) oder vergammelt wie eine Müllkippe (z.B.Simmern). Von den vielen hundert Tonnen Gleisen und Signalanlagen wanderte das meiste in Schmelzöfen, Kabel wurden abgeschnitten oder herausgerissen, selbst vor kyanisierten Telegraphenmasten machten rücksichtlose Plünderer, die unbehelligt von DB und Staat ihr Unwesen trieben, nicht halt und nun, wenn sie die gespaltenen Stücke in ihren Baumarktöfen verbrennen, kriegt die Nachbarschaft noch ihr Quecksilber ab, während sich der Abschaum in der Wärme die vergammelten Hände reibt.
Pars pro toto - der Niedergang einer ganzen Gesellschaft - anschaulich reduziert auf ein einziges Bild. 6 Männer und ihre treue Lok, auch sie, die letzte ihrer Art von hunderten aus unterschiedlichen Baureihen, die über den Hunsrück gezogen sind. Hat nicht auch sie ein "Gesicht" - von Angst und Skepsis geprägt? (Jetzt kann mich ruhig jeder für bekloppt halten, aber diese Maschinen haben auch eine Seele).Wer die Gesamtstrecke kennt, weiß, was diese Touren Mensch und Maschine abverlangt haben, Sommer wie Winter.
Und daß diese Maschinen leben, wie auch die Menschen.