Aktuelles von der Hunsrückbahn




Alles, was sich so in jüngster Vergangenheit ereignet hat oder sich ereignen wird

Re: Aktuelles von der Hunsrückbahn

Beitragvon Horst Heinrich » Di 22. Mär 2022, 12:18

Das EBA hat vor dem Verwaltungsgericht Koblenz ein Verfahren gegen die DB gewonnen, das die DB zur Instandsetzung der Hunsrückquerbahn verpflichtet.

Allerdings ist gegen dieses erstinstanzliche Urteil das Rechtsmittel der Beschwerde zulässig.
Ich gehe davon aus, daß die DB diesen Weg auch geht.

Beim Vortrag der Widmer AG als Beigeladener wurde erwähnt, daß Einnahmeausfälle von 1,5 Millionen Euro durch die Sperrung der Gleise entstanden seien.Diesen Betrag müßte Widmer aber dann zivilrechtlich einfordern.
Es wäre interessant, ob Widmer hier erfolgreich sein könnte - immerhin ist die DB seit dem Urteil des Bundesgerichtshofes von 2007 verpflichtet, die Strecke betriebsfähig zur Verfügung zu stellen.
Entgangene Einnahmen "hereinzuklagen" wäre mal einen Versuch wert. Ein interessanter Musterprozeß.

Am Ende wird es letztlich darum gehen, ob ein EIU dauerhaft verpflichtet werden kann, große Summen in eine Infrastruktur zu stecken um einem EVU vergleichsweise geringe Einnahmen zu ermöglichen.
Auch in dem jetzigen Urteil wird dieser Gedankengang noch einmal gefaßt.
Wie so oft eine Abwägung der jeweiligen Rechtsgüter.
Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, daß ein Obergericht einen derartigen Eingriff in die Entscheidungsfreiheit eines Unternehmens (DB) hinsichtlich seines finanziellen Engagements unter Abwägung von Aufwand und Ertrag dauerhaft sanktioniert. Es wäre zum einen ein Erdrutsch, zum anderen sicherlich der Auftakt zur endgültigen Stillegung nebst Abbau tausender Bahnkilometer.

Irgendwann wird der Gesetzgeber hier mal eine Entscheidung treffen müssen, Gerichte hier immer wieder auch mit komplizierten technischen und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen allein zu lassen, ist unredlich.

Unredlich wie die ganze sogenannte Bahnreform.
Entweder man bejaht, daß ein Staat unabhängig von einer kaufmännischen Rentabilität Infrastruktur vorhält und ihre Nutzung -wenn auch nur sporadisch- gewährleistet oder man unterwirft alles einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Im letzteren Fall müssen alle ländlichen Nebenstrecken umgehend stillgelegt werden, denn ob Hunsrück- oder Eifelquerbahn oder Brex, hier wird niemals ein kostendeckender Schienenverkehr realistisch sein.
Aber, kann man die Infrastruktur eines Volkes nur unter dem Gesichtspunkt von Aufwand und Ertrag sehen?
Dann können wir auch alle Krankenhäuser schließen, die nur für drei Notfälle je Tag eine Notaufnahme am Leben erhalten oder mein Forsthaus vom Strom abhängen, weil meine 590 Euro jährlich schon die Kosten für einen Kilometer Freileitung nicht hereinbringen.

Ein Volk muß definieren, was es unter der grundgesetzlichen Prämisse „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse“ versteht und was es bereit ist, hierfür finanziell zu leisten.

Hier das komplette Urteil.
https://vgko.justiz.rlp.de/fileadmin/ju ... ac1981.pdf
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Re: Aktuelles von der Hunsrückbahn

Beitragvon Horst Heinrich » Sa 18. Mär 2023, 18:30

Mit vergleichsweise hohem Aufwand läßt die DB zur Zeit das Lichtraumprofil der Hunsrückquerbahn bis Büchenbeuren durch eine Fachfirma freischneiden. Hintergrund ist zum einen die Rechtslage, die nach Urteilen auf unteren wie höchsten Ebenen festgestellt hat, daß das EIU eine Befahrbarkeit der Strecke zu gewährleisten hat. Zum anderen das Interesse des Schweizer EVU WRS, auf der Strecke Güterverkehr anzubieten.

Den sehr diffusen Verlautbarungen von WRS, es habe Gespräche mit potentiellen Kunden auch jenseits von Büchenbeuren Richtung Morbach gegeben, sind aber bisher keine konkreten Aussagen von Firmen gefolgt.

Die Strecken-Hg liegt derzeit bei 10 km/h inclusive Postensicherung der BÜ's deren technische Sicherungen bis auf drei handbediente Schranken zerstört sind. Eine Ertüchtigung auf 30 km/h, was für einen halbwegs interessanten Güterverkehr nötig wäre, würde bereits Kosten in einem unteren zweistelligen Millionenbereich verursachen, jahrelange Planungs- und Ausschreibungsverfahren eingeschlossen.

Nun wurde auf jeden Fall ein neues Kapitel der never-ending-story Hunsrückquerbahn aufgeschlagen aber niemand glaubt daran, daß hier in absehbarer Zeit wirklich Züge fahren. Allerdings sieht die Strecke passabel aus, rechts und links des Hauptgleises wurde sehr großzügig gefällt.

Bild

Das Bild entstand am ehemaligen Haltepunkt Niedersohren, wo das Forstunternehmen Arbotec aus Langenfeld seine Maschinen über das Wochenende abgestellt hat.
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Re: Aktuelles von der Hunsrückbahn

Beitragvon Horst Heinrich » So 2. Jul 2023, 12:58

Die WRS Deutschland, die die Hunsrückquerbahn zunächst mit Güterverkehr beleben wollte, hat Insolvenz angemeldet.

https://www.eurailpress.de/nachrichten/ ... eldet.html

So sehr ich diese Initiative, die von der IG Nationalparkbahn und vielen Ehrenamtlichen mitgetragen wurde stets für absolut absurd und unrealistisch gehalten habe, vermeide ich jede Häme, es ist immer ein Trauerspiel, wenn engagierte Enthusiasten scheitern, weil sie nicht alle Facetten eines Unterfangens ausgelotet und berücksichtigt haben.

Fakt ist, daß es entlang der Strecke nach wie vor keine Nachfrage nach Güterzugleistungen unter den herrschenden Streckenbedingungen gibt und daß die DB als Infrastruktureigentümer keine Maßnahmen zur Erhöhung der Streckengeschwindigkeit auf über 10 km/h vornehmen wird.
Schon 2001, als es noch sporadischen Güterverkehr gab, war etwa ein Zug nach und von Morbach (Versender/Empfänger: Papierfabrik Mettler bzw. die Sägewerke Kunz Morbach, Mettler Hinzerath und Decker Hochscheid) für 78 km sechs Stunden unterwegs, umständliche Rangierarbeiten inbegriffen.

Einzig der Abschnitt Stromberg-Langenlonsheim war durch den mehrmals wöchentlich verkehrenden Kalkzug halbwegs lukrativ.

Politisch ist das ganze inzwischen zu einer Komödie mit dem üblichen Drehbuch geworden. Die jeweilige Regierung beteuert, eine Reaktivierung zu prüfen, die Opposition fordert eine schnelle Reaktvierung, bei einem Machtwechsel geht es genauso weiter, dann tauschen die Schauspieler lediglich die Rollen.

Da ich den Hunsrück und seine Verkehrssituation kenne und auch die Gesamtstrecke Langenlonsheim-Hermeskeil, sehe ich kein Reaktivierungspotential.
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Re: Aktuelles von der Hunsrückbahn

Beitragvon Grauwacke » So 2. Jul 2023, 18:47

Hallo Horst,

das mit der WRS ist natürlich sehr bedauerlich. Das Potential sehe ich in solchen Strecken allerdings bei weitem nicht nur im Güterverkehr. Wenn man es mit dem Umwelt- und Klimaschutz ernst meinen würde (tut man aber nicht), dann würden Strecken, wie die Hunsrückbahn, konsequent wiederbelebt und der Oberbau auf Geschwindigkeiten von mind. 80 km/h ertüchtigt. Niemand will dem Bürger sein Auto wegnehmen, aber künftig müssen alle und ich betone ALLE Berufspendelfahrten mit dem PKW von und nach den Ballungszentren sich darauf beschränken, dass man den nächsten P & R-Parkplatz ansteuert, von wo aus es dann bequem und attraktiv mit dem Zug weitergeht. Im Oberwesterwald zeigt sich derzeit, wie das funktionieren könnte. Es geht auch nicht darum, die Strecke Simmern - Gemünden zu reaktivieren. Von Gemünden aus könnte man mit dem PKW ruhigen Gewissens den nächsten P & R-Parkplatz an der Hunsrückquerbahn anfahren. Aber eine Regionalstrecke in jede Region dieses Landes müsste man schon reaktivieren. Das Abhängen ganzer Regionen von der Eisenbahn, wie der Hunsrück, muss rückgängig gemacht werden. Wenn es dann noch gelingt, solche Strecken im Mischverkehr zu betreiben und auch Güterverkehr darauf zu fahren, dann rechnen sich solche Maßnahmen umso mehr. Aber solange die Links- und Ökofaschisten in der derzeitigen Bundesregierung dies nicht ändern und die Kommunalpolitik auf den ehemaligen Bahntrassen lieber Radwege baut (Beispiel Elkenroth an der Weba-Strecke), dann wird das mit der Verkehrswende nichts. Aber was rede ich, das ist ja denen, die hier im Forum sind, ohnehin klar.
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Re: Aktuelles von der Hunsrückbahn

Beitragvon Horst Heinrich » So 2. Jul 2023, 19:08

Grauwacke hat geschrieben:Hallo Horst,

das mit der WRS ist natürlich sehr bedauerlich. Das Potential sehe ich in solchen Strecken allerdings bei weitem nicht nur im Güterverkehr. Wenn man es mit dem Umwelt- und Klimaschutz ernst meinen würde (tut man aber nicht), dann würden Strecken, wie die Hunsrückbahn, konsequent wiederbelebt und der Oberbau auf Geschwindigkeiten von mind. 80 km/h ertüchtigt. Niemand will dem Bürger sein Auto wegnehmen, aber künftig müssen alle und ich betone ALLE Berufspendelfahrten mit dem PKW von und nach den Ballungszentren sich darauf beschränken, dass man den nächsten P & R-Parkplatz ansteuert, von wo aus es dann bequem und attraktiv mit dem Zug weitergeht. Im Oberwesterwald zeigt sich derzeit, wie das funktionieren könnte. Es geht auch nicht darum, die Strecke Simmern - Gemünden zu reaktivieren. Von Gemünden aus könnte man mit dem PKW ruhigen Gewissens den nächsten P & R-Parkplatz an der Hunsrückquerbahn anfahren. Aber eine Regionalstrecke in jede Region dieses Landes müsste man schon reaktivieren. Das Abhängen ganzer Regionen von der Eisenbahn, wie der Hunsrück, muss rückgängig gemacht werden. Wenn es dann noch gelingt, solche Strecken im Mischverkehr zu betreiben und auch Güterverkehr darauf zu fahren, dann rechnen sich solche Maßnahmen umso mehr. Aber solange die Links- und Ökofaschisten in der derzeitigen Bundesregierung dies nicht ändern und die Kommunalpolitik auf den ehemaligen Bahntrassen lieber Radwege baut (Beispiel Elkenroth an der Weba-Strecke), dann wird das mit der Verkehrswende nichts. Aber was rede ich, das ist ja denen, die hier im Forum sind, ohnehin klar.


Hallo Dirk,

die Streckentopographie läßt keine 80 km/h zu, oft nicht einmal 60, eine Begradigung an vielen Stellen würde einen 20-jährigen Instanzenweg nach sich ziehen, an den meisten Bahnhöfen gibt es kein Gelände für P&R mehr, alles verscherbelt. Die Strecke diente einst vorrangig den Interessen der anliegenden Industriekunden, sie verlief und verläuft gerade im westlichen Abschnitt diametral zu den Personenverkehrsströmen. Bereits ab etwa 1950 waren die Personenzüge zumeist leer.
Wenn man es schaffen würde, etwa von Simmern aus in 60 Minuten in Mainz zu sein, wäre das ein echter Wettbewerbsvorteil. Aber das Kopfmachen in Bingerbrück und die überlastete Rheinstrecke verhindern das unter anderem.

Die Hunsrückquerbahn ist ein harter Brocken, ich sehe hier wenig Potential. Da schon eher für den Abschnitt Simmern-Emmelshausen-Boppard-Koblenz, doch hier hat man ja mit dem bescheuerten Schinderhannes-Radweg vollendete Tatsachen geschaffen.

Und Thema Klima- und Umweltschutz: Es ist völliger Unsinn, wenn 80 Millionen Menschen versuchen, sich eine grüne Ideologieinsel zur Beruhigung des Gewissens zu erschaffen und 7,5 Milliarden Menschen pulvern ignorant ihren Dreck in den Orbit. Da mache ich nicht mit, für solche kostspieligen Plakataktionen, gerade wenn sie nichts bringen, bin ich mir zu schade.
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Re: Aktuelles von der Hunsrückbahn

Beitragvon Grauwacke » Mo 3. Jul 2023, 07:03

Hallo Horst,

darf man fragen was die Konsequenz aus Deinen Ausführungen wäre? Ein eisenbahnfreier Hunsrück und der perspektivische dreispurige Ausbau der Hunsrückhöhenstraße, weil es hierfür einen gesellschaftlichen Konsens gibt? Wenn sich Klimaschutz nur auf das Ökodiktat eines Heizungsgesetz beschränkt und die Verkehrswende hinten runter fällt, dann sind wir ja schnell fertig.

Ich hatte neulich ein interessantes Gespräch mit so einem Versager der Generation Z. Er hat sich um Umweltschutz immer einen Dreck geschert, Vollgas gegeben, den Konsum gelebt mit allen Konsequenzen. Auf Familie und Kinder scheißt er und die Karriere und das Geld verdienen stand und steht bei ihm an oberster Stelle. Er war nie bereit, sich an irgendeinem Punkt seines jungen Lebens in Bescheidenheit zu üben. Die Überholspur und der Egoismus bestimmen sein Leben. Nun ist in ihm doch so langsam die Erkenntnis gereift, dass mit dem Klima irgendetwas nicht stimmt. Er genießt im Westerwald plötzlich eine unglaubliche Fernsicht über ganze Hügelketten hinweg, weil dort keine Bäume mehr stehen, usw. Statt aber nun zu versuchen, durch eine Abkehr von seinen bisher gelebten Prinzipien vielleicht doch noch das Schlimmste in naher Zukunft zu verhindern oder es zumindest abzumildern, überspringt er diese Conclusio ganz elegant, indem er mir erwiderte, es sei doch nun sowieso alles zu spät und jetzt würde er erst recht nochmal Vollgas geben. Er hätte das Recht, als freier Mensch ohne das Diktat des Umweltschutzes zu sterben und das wäre ein Teil seines Rechts auf Selbstbestimmung. Seine Mitmenschen und der Rest dieser Evolution sind ihm offenbar scheißegal. Und genau daran, an dieser gentechnisch vorprogrammierten Schwäche des Menschen wird der Mensch auch scheitern und alles mit sich in den Abgrund reißen.
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Re: Aktuelles von der Hunsrückbahn

Beitragvon Horst Heinrich » Mo 3. Jul 2023, 20:17

Hallo Dirk,

zunächst zur Hunsrückbahn.
Der Hunsrücker fährt Auto. In jedem Haushalt stehen mindestens zwei, man braucht es hier sowieso, denn außer in Ortschaften um 3000 Einwohner gibt es keine Infrastruktur des täglichen Bedarfs. Bäcker, Metzger, Einzelhändler, Arzt, Zahnarzt, Apotheke etc. sind nur mit dem Auto in einem vertretbaren Aufwand zu erreichen. Wer dieses Auto besitzt, nutzt es in der Regel auch zum Pendeln zur Arbeit.
Davor und danach werden meist noch andere Verrichtungen eingebunden, Kinder zum Treffen mit Gleichaltrigen oder zum Sport fahren (in den Dörfern gibt es auch keine Vereine mehr), einkaufen, Gräber gießen, Oma zum Arzt, die verfetteten Kinder zum Physiotherapeuten bringen etc, das kann weder ein Bahn-, noch ein Bus-Stundentakt leisten.

Die Streckenführung der Hunsrückquerbahn ist den Bedürfnissen des späten 19.Jahrhunderts angepaßt. Damals ist man für die zwei Bahnfahrten je Jahr ( mehr konnte man sich auch gar nicht leisten) auch mal 5 km zum Bahnhof gelaufen, heute undenkbar.

Jeder, der sich mit dem Klima der letzten 2000 Jahre beschäftigt -und das tun wir "Waldmenschen" als Jäger ja immer- wird feststellen, dass es die jetzt so plakativ beklagten Klimaerscheinungen schon immer gab. Sie werden nur jetzt so dramatisiert, weil man mit ihnen politisch und wirtschaftlich Kapital schlagen kann. Der Mensch ist nur nicht willens, sich anzupassen. Man möchte die Erderwärmung gerne per Gesetz beschränken. Die Erderwärmung greift sich an den Kopf und lacht sich darüber kaputt, daß der Mensch schon wieder versucht, Gott zu spielen. Derweil erwärmt sich die Erde wie sie will. Oder sie denkt sich auch wieder mal Kälteperioden aus. Damit müssen wir leben.

Als ich 1967 das erste mal bei meinem Cousin in Remscheid zu Besuch war, habe ich die Hand kaum vor Augen gesehen. Alles hat gehustet, alles grau in grau. Hätte ich mich damals auf die Straße geklebt, um für meine Zukunft zu demonstrieren, man hätte mich kurzerhand totgeschlagen und mir vorher klipp und klar gesagt: Erst muß unsere Gegenwart eine Zukunft haben, dann können wir mal über die Zukunft der Zukunft nachdenken, denn wir brauchen in DIESEM Winter einen warmen Arsch, nicht im Jahre 2250.

Meine Konsequenz -danach hattest Du ja gefragt- lautet daher: Ich lebe so bescheiden, wie in den letzten 60 Jahren und versuche, der Erde nicht mehr wegzunehmen, als nötig. Ich habe noch nie in einem Flugzeug gesessen, um mich etwa später auf einer Mittelmeerinsel zu besaufen oder armen Menschen in armen Ländern in die Zelte zu glotzen, ich bin nie weiter gereist als in die unmittelbar
angrenzenden Nachbarländer, meist mit der Bahn, besitze weder Spülmaschine noch Wäschetrockner noch ein Smartphone, das jeden Tag aufgeladen werden muß, weil ich in sinnlosen Gruppen sinnlose Bilder und Nachrichten einstellen muß, mein Stromverbrauch ist seit 16 Jahren annähernd konstant, ich verheize ca 12 Raummeter Holz und 600 Liter Heizöl jährlich, auch diese Werte sind seit 16 Jahren konstant und meine Lebensmittel kaufe ich überwiegend bei Selbsterzeugern hier im Umfeld. Tägliche oder wöchentliche Pilgerfahrten zu den Heiligen Aldi, Lidl, Netto etc. wären für mich der Horror.

Gerade habe ich festgestellt, daß ich noch nie Litschies, Passionsfrüchte oder argentinisches Rindfleisch gegessen habe, was mit Flugzeugen rund um die Uhr eingeflogen wird.

Obst und Gemüse esse ich, wenn es hier wächst, ist es alle, warte ich bis zur nächsten Saison, wie schon früher die Oma, die übrigens in 89 Lebensjahren nie eine Banane gegessen hat.

Mein Jeep Grand Cherokee ist 12 Jahre alt und verbraucht 11 Liter Diesel. Ich werde einen Teufel tun, ihn jetzt abzuschaffen, um mir ein E-Auto zu holen, das mit belgischem und französischem Atomstrom aufgeladen wird. Und ich fahre sogar manchmal nur zum Spaß herum, etwa um in einer gemütlichen Straußwirtschaft einzukehren. Wenn ich schon nicht auf der Aida tonnenweise Schweröl verpulvere oder über schweizer Kunstschneepisten den sportiven Alten Mime. Dann wenigstens mal einen Feierabendschoppen mit Vesperplatte an der Mosel.

Aber zurück zur Bahn.
Die Hunsrückquerbahn hat in der jetzigen Streckenführung westlich Simmern, na sagen wir westlich Kirchberg keine Chance. Ich kann weder eine 200-Millionen-Investition hierfür befürworten noch die Menschen zum Bahnfahren zwingen. Das ist etwa zwischen Kirchheimbolanden und Mainz oder im Zellertal etwas anders. Hier bersteht Nachfrage. Im Hunsrück leider nicht.

Auch die Aartalbahn beispielsweise müßte schon längst reaktiviert sein. Eine Schande, was hier seit 40 Jahren passiert.
Nur für den Hunsrück ist der vierspurige Ausbau der B 50 zwischen A 61 und Büchenbeuren ein größerer Segen als eine Hunsrückbahn, die für 70 km aufgrund der topographischen Gegenbenheiten 130 Minuten braucht und nicht genutzt wird. Auf der von Dir erwähnten Hunsrückhöhenstraße sind allein zwischen Morbach und Büchenbeuren seit ich hier wohne 17 Menschen u.a. wegen des fehlenden Ausbaus gestorben, vier davon habe ich persönlich gekannt.

Das ganze ist auch eine Frage der Konditionierung. Die Hunsrückquerbahn ist jetzt im 47. bzw 39. Jahr im Personenverkehr stillgelegt. Kaum einer mehr kann sich an sie erinnern und wenn, dann ist die Erinnerung noch mit negativen Erlebnissen wie veralteten Fahrzeugen, nicht funktionierenden Heizungen, schlechtem mürrischem Service, vollkommen absurden Fahrplänen oder verpaßten Anschlüssen getrübt.

Um hier wieder etwas gut zu machen, müßte man sich sehr sehr viel einfallen lassen.
Dazu ist die Bahn heutiger Prägung schon gar nicht mehr in der Lage, wenn man für sechs P&R-Plätze 10 Jahre und für einen neuen Haltepunkt 20 Jahre Planungszeit braucht oder Stellwerke und Züge wegen Personalmangel regelmäßig ausfallen.
Die Berufseisenbahner der Jahrgänge 1900 bis 1965 hätten das vielleicht noch hinbekommen. Die heutigen Witzfiguren in Markus Lanz-Anzügen schaffen es ja gerade noch, sich nicht auf die Schuhe zu pinkeln.
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Re: Aktuelles von der Hunsrückbahn

Beitragvon Rolf » Mi 5. Jul 2023, 17:57

So wie Horst Heinrich die Lage beschreibt, und er kennt sich vor Ort gut aus, erscheint es mir auch nicht sinnvoll, 200 Mio. Euro in eine Reaktivierung so weit ab vom Schuss zu tätigen, wo man die Züge nicht voll bekommt und die Fahrzeiten nicht annähernd konkurrenzfähig sind. Die Planung für eine Reaktivierung bis zum Hahn ging damals von ganz anderen Nutzerzahlen aus, als der Hahn noch eine große Zukunft zu haben schien. Das war als Booster gedacht und hat sich mittlerweile zum Rohrkrepierer entwickelt. Und dass es jetzt auch wieder nicht mit Güterverkehr klappt, ist die nächste Enttäuschung. Schade, aber letztendlich verständlich.
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Re: Aktuelles von der Hunsrückbahn

Beitragvon Horst Heinrich » So 23. Jul 2023, 11:54

Der Kreisverband Rhein-Hunsrück der Grünen führt am 28.August 2023 eine Infoveranstaltung mit der rheinland-pfälzischen Mobilitätsministerin Katrin Eder durch.

https://gruene-rh.de/termine/besuch-min ... rueckbahn/

Ich würde mir wünschen, es gäbe mal eine Infoveranstaltung von Fachleuten, die Anwohner und weitere Interessenten auf den neuesten Stand in Sachen Wiederbefahrbarkeit bringen. Das gelegentliche Auftreten von orange gekleideten Menschen auf der rund um die Strecke lassen alle möglichen Spekulationen ins Kraut schießen.
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Re: Aktuelles von der Hunsrückbahn

Beitragvon Knipser1 » So 23. Jul 2023, 15:22

Wie man hört, soll die DB den Kommunen an der Strecke kürzlich mitgeteilt haben, dass die Bauarbeiten zur Wiederherstellung der einwandfreien Befahrbarkeit der Strecke ab Langenlonsheim starten. Anscheinend wird man dem Beschluß der Gerichtsbarkeit also nachkommen.

Grüße

Guido
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